„Das Diesel-Chaos“ und Thomas Geisels Warten bei Anne Will
Der Oberbürgermeister war am Sonntag einer der Gäste in der ARD-Talkshow — und lange zum Zuhören verdammt.
Vielleicht ist es ein Trost für Thomas Geisel, dass er viel mit dem früheren Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg gemeinsam hat. Beide waren am Sonntagabend zu Gast in der Sendung „Anne Will“. Beide erhielten zwei Möglichkeiten für längere Beiträge. Beide mussten lange einer erwartbaren Debatte zwischen drei Menschen folgen, die als Talkshow-Profis gelten, weil sie problemlos mit demselben Argument eine Stunde Sendezeit vernichten können. Und beide, also Rosberg und Geisel, erweckten den Eindruck, der Debatte um das Diesel-Verbot frischere Gedanken geben zu können.
Die Beiträge der drei Protagonisten waren nach der Vorstellrunde weitgehend erschöpft. Der VW-Vorstand Herbert Dies will nicht, dass sein Unternehmen Hardware nachrüsten muss. Der geschäftsführende Verkehrsminister Christian „Glyphosat“ Schmidt ist gegen die Blaue Plakette. Und Katrin Göring-Eckardt von den Grünen findet beides gar nicht gut.
Thomas Geisel ist nicht gerade berühmt dafür, lange aktionslos etwas beobachten zu können. Insofern ist es ihm hochanzurechnen, dass er die 20 Minuten bis zur ersten Frage in seiner Form von stoisch erduldet. Die erste Rede-Gelegenheit nutzt er dann vorsichtshalber, um alles zu sagen — was auch daran zu merken ist, dass seine Sätze bisweilen mehrere Richtungen zugleich einschlagen. Die Botschaften bleiben aber klar: Verursacher des Problems ist die Automobilindustrie, weil sie ihre Versprechen an die Kunden nicht gehalten hat.
Verursacher ist auch die Bundesregierung (in diesem Fall das Kraftfahrzeugbundesamt), weil sie/es nicht sorgfältig darauf geachtet habe, ob mit den zugelassenen Emissionen auch die vorgegebenen Grenzwerte eingehalten werden können. „Den Schwarzen Peter haben jetzt die Kommunen, die dafür sorgen müssen, dass die Grenzwerte eingehalten werden.“ Geisel muss danach wieder pausieren. Er demonstriert gute Kinderstube, hebt den Zeigefinger wie in der Schule, wirft maximal Halbsätze ein, Anne Will aber dankt es ihm nicht. Seinen zweiten größeren Beitrag nutzt er entsprechend deutlicher. Schmidt wirft er vor, „ein Stück Realitätsverweigerung“ zu betreiben, weil ohne die Blaue Plakette ein Dieselverbot nicht praktisch umgesetzt werden könne. Dem VW-Vorstand hält er entgegen, dass er die Hardware-Nachrüstung nicht mit dem Argument ablehnen könne, dass sie Zeit in Anspruch nehme. Es gebe kein Mittel, das sofort wirke, alle großen Maßnahmen bräuchten Zeit, sagte Geisel. Und: Es sei „skandalös“, dass die Autoindustrie nicht sage, dass sie Mist gebaut habe und als Verursacher den angerichteten Schaden wieder gut mache.
Fazit: Kurz nach der Bundestagswahl war die Düsseldorfer FDP-Chefin Marie-Agnes Strack-Zimmermann Gast bei „Anne Will“, jetzt Oberbürgermeister Thomas Geisel. Letzterer zeigte sich wie die Liberale unbeeindruckt von den vermeintlichen Profis und hat jetzt auch weniger Freunde in der CSU.