Das Leben mit den Fremden

Als 2013 Flüchtlinge an der Lacombletstraße einzogen, waren die Anwohner unsicher. Davon ist heute nichts mehr zu spüren.

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Im Hamburger Nobelstadtteil Harvestehude hatten Anwohner sich gegen die Einrichtung eines Flüchtlingsheims gewehrt und vor Gericht recht bekommen: Die Gegend sei ein besonders schützenswertes Wohngebiet, hieß es in dem Urteil. In Leverkusen sprechen sich die Wirtschaftsjunioren gegen Pläne des Landes aus, eine Erstaufnahmestelle im Gewerbegebiet anzusiedeln.

Im Düsseldorfer Osten fürchten einige Anwohner die „Zersiedlung“, sollte das Land in der Bergischen Kaserne eine Erstannahmestelle und die Stadt zudem Container für Flüchtlinge aufstellen. Drei Orte, in denen die Diskussion um die Unterbringung von Flüchtlingen noch im Gange ist.

Anders an der Lacombletstraße, wo dieser Prozess längst abgeschlossen sind. Ende 2013 waren die ersten Flüchtlingsfamilien in das alte Schulgebäude in der Nähe des Derendorfer S-Bahnhofs eingezogen. Damals waren die Anwohner noch unsicher, was sie erwartet. Von dieser Unsicherheit ist heute nichts mehr zu spüren.

An den Balkonen der Mehrfamilienhäusern aus Nachkriegsjahren hängen leere Blumenkästen, vor den Türen stehen Fahrräder, VWs oder Opels parken auf der Fahrbahn: Die Lacombletstraße ist eine ganz normale Straße. Und das hat sich auch nicht geändert, seit die Flüchtlinge ins alte Schulgebäude eingezogen sind. Da sind sich zumindest die Anwohner, die an einem Dienstagmittag auf der Straße unterwegs sind, einig.

„Abers“, wie ein „Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber. . .“ oder „natürlich muss die Stadt Flüchtlingen helfen, aber. . “ sind an der Lacombletstraße nicht zu hören. Als unaufgeregt lässt sich das Verhältnis zwischen neuen und alten Nachbarn beschreiben. Tatsächlich wissen manche gar nicht, dass sich in ihrer Nähe ein Flüchtlingsheim befindet.

Waldemar Ollech wohnt seit 50 Jahren im Stadtteil, auf die Frage, wie es denn mit dem Zusammenlebe mit den Flüchtlingen so klappe, reagiert er fast ein wenig irritiert. „Warum sollte es nicht klappen?“, fragt er. „Ich habe noch keine Klagen gehört, die Menschen sind ja auch sehr höflich.“ Der 82-Jährige hatte von Anfang an nichts gegen die Einrichtung einer Erstannahmestelle im Stadtteil. „Ich bin selbst Flüchtling, stamme aus Ostpreußen und habe deshalb viel Verständnis für die armen Leute“, sagt er. Verständnis hat auch eine 76-jährige Anwohnerin, die direkt gegenüber der Schule im Haus mit der Nummer 20 wohnt: „Am Anfang hatte ich Berührungsängste, weil ich nicht wusste, was kommt“, sagt die Seniorin.

Das habe sich aber schnell gelegt, als die Flüchtlinge erst einmal da waren. „Die Familien tun mir sehr leid.“ Sie habe auch versucht, Kleidung in der Unterkunft abzugeben: „Aber die Mitarbeiter dort haben mich gebeten, die Sachen zu einer Sammelstelle zu bringen.“ Sie würde sich auch gerne mit den neuen Nachbarn unterhalten. Aber das sei schwierig: „Viele sprechen kein Englisch.“

Auch Achim Radau-Krüger sucht den Kontakt zu den Flüchtlingen. Der Geschäftsführer des Jugendrings, der ebenfalls an der Lacombletstraße sitzt, würde gerne Angebote für sie ins Programm aufnehmen. „Aber da der Aufenthalt der Flüchtlinge sehr kurz ist, ist das schwer“, sagt er. Das Zusammenleben der Anwohner mit den neuen Nachbarn beschreibt er als vollkommen unproblematisch, die Hilfsbereit sei groß. Immer wieder fragten Nachbarn an, ob sie beim Jugendring Kleidung für die Zugezogenen abgeben können.

Harry Gstettenbauer erklärt diese Hilfsbereitschaft auch mit dem Alter der Anwohner, die selbst schon viel erlebt haben. „Wenn sie hier eine Ü-80-Party schmeißen, ist der Laden voll“, sagt der 77-Jährige. Die Sorge der Hamburger in Harvestehude kann er überhaupt nicht nachvollziehen. Seine Generation empfinde die Flüchtlinge nicht als Last, sondern bewundere ihren Mut.