Gastkommentar Armen Menschen muss mehr geholfen werden

Düsseldorf · Das Netz gegen Armut im Stadtbezirk 7 wird 10 Jahre alt.

Tafeln mit Lebensmittelausgaben haben für arme Menschen eine hohe Bedeutung.

Foto: dpa/Andreas Arnold

Ich schäme mich, hierher zu kommen!“. Frau W., die mir in der Caritas-Diakonie-Sprechstunde gegenübersitzt, ist 70 Jahre alt, vielleicht älter. Das Leben hat Spuren hinterlassen. „Mein ganzes Leben habe ich gearbeitet, drei Kinder großgezogen, meine Schwiegermutter gepflegt und ich bin putzen gegangen.  Wir sind immer ausgekommen. Aber jetzt bin ich krank, und seit mein Mann tot ist, reicht es hinten und vorne nicht mehr.“

Ich höre eine solche Lebensgeschichte nicht zum ersten Mal. Es sind viele, bei denen es nicht reicht. Und viele schämen sich dafür.

Glücklich, wer nicht bei Essensausgabe, Tafeln oder Sozialsprechstunden anstehen muss, um auch am Ende des Monats noch genug zu essen zu haben. Glücklich, wer ohne die Unterstützung einer Wohltätigkeitsorganisation Lebensmittel, Drogerieartikel, Kleidung und Gebrauchsgüter kaufen und die Miete pünktlich bezahlen kann.

Glücklich, wer Hartz IV, Grundsicherung, Wohngeld und Bedürftigkeitsprüfung nur aus der Zeitung kennt, weil das monatliche Einkommen deutlich oberhalb der Armutsgrenze liegt (zurzeit in Deutschland 781 Euro/Einzelperson oder 1.171 Euro/Paar).

Wer dieses Glück nicht hat, ist froh, dass es das Netz gegen Armut gibt. Vor 10 Jahren in Gerresheim von Bürgerinnen und Bürgern, Vereinen, Organisationen und Institutionen gegründet, unterstützt es zusammen mit evangelischer und katholischer Ortsgemeinde bedürftige Menschen im Stadtteil. Die Sprechstunde der beiden Kirchengemeinden mit Sozialberatung, materieller Nothilfe, Kleiderladen und Fahrradbörse wird ebenso angenommen wie der Lotsendienst zu Ämtern oder der Gerresheimer Mittagstisch. Tausenden wurde in diesen 10 Jahren die Not gelindert, hunderttausende Euros gesammelt und weitergegeben. An den gesellschaftlichen Ursachen der Armut hat sich nichts geändert. Im Gegenteil: Reiche wurden reicher, Arme ärmer. „Wir haben es satt“, sagen die Träger des Netzes, „als Feigenblatt für eine verfehlte und mangelhafte Sozialpolitik herhalten zu müssen. Wir hungern nach überfälligen Reformen!“ Ihrer Resolution, für die jetzt Unterschriften gesammelt werden, haben sich stadtweit Initiativen, Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Kirchen angeschlossen. Sie soll Düsseldorfer Landes- und Bundespolitiker auf Trab bringen.

Jesus sagt: Glücklich sind, die Hunger und Durst nach Gerechtigkeit haben, denn sie sollen satt werden. (Matthäus 5, 6)

Cornelia Oßwald, Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeine Gerresheim

Hinweis: Das Netz gegen Armut ist kein eingetragener Verein, sondern ein Zusammenschluss von Organisationen und Einzelpersonen. Die Organisationsarbeit leistet ein Lenkungskreis. Pfarrerin Oßwald ist Mitglied des Lenkungskreises.


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