Nach Flucht aus Albanien Der Traum von einer Saison bei Fortuna Düsseldorf

Ratingen · Seit Januar spielt Orgito (15) für die U16. Aber eigentlich soll er bald in der Bundesliga West für die U17 antreten. Wenn da nicht seine Duldung wäre.

Um ab Sommer in der Bundesliga West der U17 für die Fortuna spielen zu können, braucht Orgito eine längere Duldung bis zum Saisonende. Mit seinem Bruder Bekim lebt er seit fast drei Jahren bei Caren Schulten, ihrem Mann Christian Fettweiß-Schulten und Sohn David.

Foto: Schulten

Erst hat Orgito für Ratingen 04/19 gespielt, dann für den VfB Hilden. Seit Januar gehört der 15-jährige Albaner zur U16 von Fortuna Düsseldorf. Schritt für Schritt bergauf. Und der talentierte Außenspieler hat weitere Ziele. In der kommenden Saison will ihn Düsseldorfs führender Fußballverein in der U17 einsetzen, Bundesliga West. Orgito ist sprintstark: Beim Leistungstest war er in seinem Jahrgang der Schnellste – und selbst im Vergleich mit dem älteren Jahrgang belegte er immer noch Platz zwei. Bei seinem weiteren Karrieresprung kann ihn eigentlich nur noch eine Sache ausbremsen: seine zu kurze Duldung.

Alle drei Monate muss Orgito von seinem Wohnort Ratingen zur Ausländerbehörde in die Kreisstadt Mettmann fahren und um Verlängerung bitten. Das ist die Gesetzeslage. Denn Albanien gilt seit 2015 in Deutschland als sicheres Herkunftsland, der Asylantrag von Orgitos Familie wurde abgelehnt, lange waren sein älterer Bruder Bekim (17) und er nur geduldet, weil die beiden Minderjährigen beim zweiten Mal ohne Familie nach Deutschland gekommen waren und kein Kontakt mehr besteht.

Familie Schulten heute.

Foto: Ekkehard Rüger

Bruder Bekim hat inzwischen eine längere Ausbildungsduldung

Bekim ist inzwischen durch eine Ausbildungsduldung längerfristig gesichert, weil er sich seit seinem mittleren Schulabschluss im Sommer 2018 im Van der Valk Airporthotel Düsseldorf zum Koch ausbilden lässt. Aber sein jüngerer Bruder muss immer wieder zittern – und mittlerweile noch ein bisschen mehr: Denn der Deutsche Fußball-Bund lässt Flüchtlinge nur in der Bundesliga antreten, wenn ihre Duldung bis zum Saisonende reicht. Das wäre der 30. Juni 2021.

Familie Schulten und ihre beiden Pflegekinder vor zwei Jahren.

Foto: Ekkehard Rüger

Orgitos Pflegeeltern Caren Schulten, Marketingleiterin der Westdeutschen Zeitung, und Christian Fettweiß-Schulten tun, was sie können, um ihm seinen Traum zu erfüllen. „Wir sind mit der Ausländerbehörde im Gespräch und auch die Härtefallkommission des Landes NRW ist inzwischen über den Fall informiert“, sagt Fettweiß-Schulten. Denn diese ist befugt, „in besonders gelagerten Fällen bei Vorliegen dringender humanitärer oder persönlicher Gründe abweichend von den allgemeinen Erteilungs- und Verlängerungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel eine Aufenthaltserlaubnis an vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer zu erteilen“, wie es in bestem Behördendeutsch in ihren Entscheidungsgrundsätzen heißt.

Kann Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) helfen?

Auch an den Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) will sich die Familie noch wenden. Denn der Minister spricht immer wieder davon, dass der gesetzliche Spielraum für gut integrierte Geduldete erweitert werden muss, um ihnen eine Bleibeperspektive zu bieten. Mit einem entsprechenden Erlass hat er vor Jahresfrist die Ausländerbehörden auf diesen Kurs eingeschworen.

Und dann ist da noch die Fortuna selbst. In einer Stellungnahme vom 29. Januar stellt sich der Verein auf eindrucksvolle Weise hinter Orgito. Für ihn bedürfe es keiner Integrationsprognose mehr, „da Orgito szum jetzigen Zeitpunkt bereits in jeglicher Hinsicht als ein ,vollumfänglich integrierter junger Mann’ bezeichnet werden kann und sich in die Lebensverhältnisse in Deutschland eingefügt hat“. Das gelte nicht nur für die sportlichen, sondern auch die kulturellen, sprachlichen und schulischen Aspekte.

Eine Beschreibung, die auch auf seinen älteren Bruder zutreffen könnte. „Wenn die beiden nicht integriert sind, dann weiß ich nicht, wer überhaupt integriert ist“, sagt ihr Pflegevater. Knapp drei Jahre ist es nun schon her, dass sich der Unternehmensberater, seine Frau und ihr gemeinsamer Sohn David entschieden haben, die beiden aufzunehmen. Vor zwei Jahren hatte diese Zeitung schon einmal über die Familie berichtet. Damals sprach Fettweiß-Schulten von einer „geballten Ladung Integrationsförderung, mitten in einer stinknormalen deutschen Familie“.

Heute ist es so, dass David von den beiden vermisst wird, weil er gerade ein Halbjahr in einem englischen Internat verbringt. Und Davids Vater fasst die gesammelten Erfahrungen mit dem Familienzuwachs als „unverändert problemlos“ zusammen.

Duldung endet am 15. März

Am 13. März wird Bekim seine Zwischenprüfung vor der Industrie- und Handelskammer absolvieren. Wenn er die Ausbildung zum Koch im kommenden Jahr beendet hat, bleiben ihm sechs Monate, um im Anschluss eine Arbeit zu finden. Dann kann er bleiben. Niemand in der Familie zweifelt, dass das klappen wird, denn die Branche sucht verzweifelt Fachkräfte. Schon heute fließen zwei Drittel seines Nettogehalts wegen seines Pflegekindstatus an die Stadt Ratingen zurück.

„Man sollte sich den Einzelfall anschauen“, hofft Pflegemutter Caren Schulten. Und sie baut darauf, dass die beiden Brüder nicht auseinandergerissen werden. „Warum knüpft man nicht die Duldung des Kleinen an die des Großen?“, fragt sich auch ihr Mann.

Orgitos aktuelle Duldung endet am 15. März. Dann steht die nächste Entscheidung an. Spätestens Ende Juni muss die Frage geklärt sein. Die Bundesliga West wartet.