Die Broilers: Die Ausgeflippten von Hellerhof
Im Süden starteten die Broilers ihre Karriere. Jetzt spielt die Band im ausverkauften Dome.
Düsseldorf. Hier gibt es keinen Glamour wie auf der Kö und keinen Rummel wie in der Altstadt. In Hellerhof gibt es Reihenhaus-Siedlungen, getöpferte Türschilder und Blumenbeete. Vorstadt-Idylle im Düsseldorfer Süden. Und die Broilers stehen mittendrin. Da, wo sie einst aufwuchsen. Zwar zogen sie irgendwann ins Zentrum, rein ins pralle Leben. Aber die Band gründeten sie hier draußen. Vor 20 Jahren. Grund genug, um noch einmal zurückzukehren und sich zu erinnern.
Mit der S-Bahn sind die fünf Musiker — nur Keyboarder Christian Kubczak wuchs als Oberhausener nicht in Düsseldorf auf — vom Hauptbahnhof aus hergefahren. So wie früher. Und so wie lange nicht mehr. Vor Ort macht Frontmann Sammy Amara klar, wieso er damals Punker wurde und wegzog: „Schau dich doch mal um.“ Er beschreibt mit seinen Armen einen Kreis. „Hier ist doch nichts los. Wenn du hier aufwächst, musst du ja ausflippen.“
Wer nicht ausflippt, der hört den ganzen Tag Vogelgezwitscher, spielende Kinder, Züge, die über die nahe Bahntrasse zwischen Düsseldorf und Köln donnern, und den Lärm von der Autobahn, die an Hellerhof vorbei in Richtung Leverkusen führt. Das Falsche für einen, dem gerade Flügel wachsen.
„Ausflippen“ bedeutete für Amara und seinen schon damals besten Freund Andreas Brügge — Schlagzeuger der Broilers — „Anarchy in the UK“ von den Sex Pistols und abhängen im Bahntunnel. „Weil da der ICE so nah vorbeidonnerte“, wie Brügge sagt. Es ging um den Kick, den sie sich heutzutage auf der Bühne holen. Das nächste Mal am 19. und 20. Dezember bei den Jubiläumskonzerten im Rather Dome vor je 12 000 Fans.
Früher saßen sie auf dem Spielplatz hinter der Elsa-Brändström-Straße, tranken Bier und hörten Punk aus dem Ghetto-Blaster. Die Toten Hosen sangen „Auf dem Kreuzzug ins Glück“. Amara und Brügge waren die Kreuzritter. Genauso wie Ines Maybaum und Ronald Hübner, die Bassistin und der Gitarrist. Maybaum kam aus Garath, dem Stadtteil nebenan, der stets ein wüstes Image hatte, wie sie sagt. Dort leuchtete nachts zur Autobahn hin giftgrün der Turm des Kesselhauses. So als sollte er zeigen: „Fahrt bloß vorbei!“ Seinen Anblick haben die Broilers 2008 im Song „Heimat“ verewigt: „Hörst du den Sturm landeinwärts heulen? Er bricht sich in besprühten Litfass-Säulen. A 59 und ne schlechte Sicht. Düsseldorf-Garath in grünem Licht.“ Außerdem im Song erwähnt: „Dr. Schmid“, die alte Stammkneipe der Broilers.
Hier spielten sie die ersten Konzerte. Von hier aus ging es am Wochenende in die Stadt: 100 Meter zum Bahnhof. 17 Minuten Fahrt. Nachts auch mal länger, wenn betrunken der Ausstieg verpennt wurde und alle bis Köln durchfuhren: „Düsseldorf-Köln-Düsseldorf-Köln, dieser Zug spuckt dich nicht aus“, singt Amara im Song „Wie weit wir gehen“. Der Süden, er war das Broilers-Universum: Sie tanzten im „Haus Spilles“, im „Spektakulum“ und im „Benrather Hof“, alles drehte sich um Party und Musik.
Der Rest störte — so wie die Schule. „Sie war für mich ein rotes Tuch“, sagt Amara und erinnert sich, dass viele Lehrer ihn auf dem Kieker hatten. Das sei auch der einzige Grund, warum er so etwas wie Genugtuung spüre: Er werde jetzt auf der „Wikipedia“-Seite seiner alten Schule, dem Gymnasium Koblenzer Straße in Urdenbach, als „berühmter Schüler“ gehandelt. Neben TV-Moderator Victor Worms. „Das dürfte einigen Lehrer sauer aufstoßen“, sagt er. Die Zeiten ändern sich eben. Und Brügge denkt noch mal an die alte Stammkneipe: „Manchmal saßen wir da, sahen uns die Typen am Tresen und dachten: So verkehrt ist deren Leben nicht.“ Alle lachen. Die Broilers wissen: Gut, dass sie den Tresenhockern nicht zu lange zuschauten. Die Vorstadt steckt zwar im Herzen. Aber draußen wartet die Welt.