Psychedelic-Band Dr. Koch von Vibravoid, Musikheiler aus Düsseldorf

Die Psychedelic-Band Vibravoid genießt Kultstatus. Wir besuchen den Mann, der dahintersteckt.

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Sprechstunde beim Doktor bedeutet: Sprechstunde in einer anderen Welt. Wer die Wohnung von Christian Koch unweit des Hauptbahnhofes betritt, der landet ganz oben unterm Dach mitten im Jahr 1968 und würde sich nur bedingt wundern, wenn im nächsten Augenblick Jim Morrison von den Doors aus dem Zimmer nebenan gehüpft käme und irgendwas von „Come On, Baby, light my fire“ säuselte. Christian Koch existiert nur im Hier und Jetzt. Leben tut er in der Zeit, in der die Musik untrennbar mit LSD-Trips und knallbunten Farben verknüpft war.

Christian Koch ist Doktor Koch, der Frontmann der Düsseldorfer Psychedelic-Formation Vibravoid. „Hallo!“, sagt er und lächelt. Es ist ein Lächeln, das gerade noch so zu erkennen ist unter dem dicken Bart, der sich über die Backen, unter der Unter- und über der Oberlippe einmal quer durch sein Gesicht zieht. Dann fällt die Tür zu und 2017 ist ausgesperrt. Es sei gerade ein wenig unaufgeräumt bei ihm zu Hause, entschuldigt er sich. Aber er habe leider sein Schlafzimmer ausräumen müssen, um dort das Video zum nächsten Vibravoid-Song drehen zu können. Vor einer riesigen, über Wände und Decke gespannten grünen Plane, auf die später - wie im Fernsehen auf eine so genannte Greenscreen - alle möglichen Bilder projiziert werden können. Also geht es an den im Flur und dem Arbeitszimmer zwischengeparkten Klamotten und Möbeln vorbei ins Wohnzimmer, wo sich der Mittelpunkt der Doktor Koch’schen Praxis befindet: die Stereo-Anlage. „Das ist eine alte Grundig Studio 2000 aus dem Jahr 1973“, sagt er und schiebt hinterher: „Mit originalen Andromeda-Kugelboxen!“ Da kenne er nichts. „Auf der hörst du alles raus!“ Jeden noch so dezenten Ton, jeden noch so unhörbaren Fehler in der Produktion.

Und Doktor Koch hört viel. Sehr viel. Und ausschließlich Vinyl. Denn das ist - neben der psychedelischen Musik, die es seiner Einschätzung nach so richtig nur zwischen 1965 und 1968 gab - seine Leidenschaft. Kein Tonträger-Medium komme da heran. Und was das wiederum bedeutet, ist klar: Christian Koch kann sich über den Vinyl-Hype, den es seit ein paar Jahren wieder gibt, zwar freuen. Aber noch viel mehr kann er über ihn lachen. Denn mit den Ende der 80er gegründeten Vibravoid brachte er schon Dutzende Schallplatten heraus. LPs und Singles. Einzelne Platten. Doppel-Scheiben. Boxen mit Zigfach-Vinyl.

Und alle niemals schwarz, sondern knallbunt. Rot, grün, gelb, blau, mehrfarbig. Mit Spiralmustern und zugehöriger Spiralschablone, die man über die Platte ziehen und drehen und schieben kann, bis es einem vor den gepsychedelicten Augen flirrt und schummrig wird. Und wenn das alles noch nicht genug ist, dann werden eben ein paar Räucherstäbchen angezündet und Vorhänge anstatt Türen zwischen die Zimmer gehängt, um die Zeitreise inklusive Bewusstseinserweiterung und Meditation für die Sinne perfekt zu machen.

Christian Koch, der Doktor, weiß, wie man so ein Gesamtpaket schnürt und gibt gerne Ratschläge: Neben mehreren dicken Schallplattenkisten liegen bei ihm im Wohnzimmer Räucherstäbchen kiloweise. Vor dem Fenster sperren dicke Tücher das Tageslicht nahezu komplett aus. Ein Projektor, in dem sich eine bemalte Plastikscheibe dreht, wirft bunte Bilder an die Wand. Wie Christian Koch, der Mittvierziger, in den 60er-Jahren gelandet und hängen geblieben und Musiker und Vinylfanatiker wurde? Ganz einfach: „In den 80ern habe ich irgendwann gemerkt, dass alle meine Lieblingssongs nur Cover von Liedern aus den End-Sechzigern waren.“ Also widmete er sich lieber den Originalen als den Kopien. Und gab es in der Zeit von Flower Power und Psychedelia etwa CDs? Nein. Insofern handelte Christian Koch also nur konsequent und richtig, denn: Die Vibravoid-Platten sind allesamt begehrte Sammlerobjekte und erzielen bei Plattenbörsen und Internetauktionen Höchstpreise von mitunter mehreren hundert Euro. Und: Des Doktors Band mag in Düsseldorf eher unter dem Radar laufen. „Weil hier Kulturarbeit und Kunst nicht genug gewürdigt wird“, wie er ehrlich und ein wenig aufbrausend sagt. Indes: „Im Ausland, in England, Italien oder Griechenland, spielen wir vor bis zu 2000 Menschen.“ Egal wo: Sie alle kommen dann zusammen und wollen eine Sprechstunde beim diesem Musik-Heiler aus Düsseldorf, der seine Gitarre in die Hand nimmt und zu Songs wie „Alphawave“ oder „Politics of ecstasy“ oder „Turned on acid“ minutenlang soliert und jeden noch so großen Weltschmerz unter einer dicken Schicht Liebe und Wahnsinn erdrückt. Vibravoid bestehen aktuell zwar aus Christian Koch (Gesang, Gitarre), Frank Matenaar (Schlagzeug) und Dario Treese (Orgel, Keyboard, Bass). Mastermind aber ist Koch, der große Teile der Musik nach eigenen Angaben in seiner Wohnung schreibt und aufnimmt. In der Szene der Psychdelic-Rock-Fans genießen Vibravoid Kultstatus. Und zwar international.