Weg mit dem Corona-Blues: Auch Fische vermissen das Miteinander Dr. Otto Octavius will kuscheln

Stockum. · 5000 Tiere leben im Aquazoo. Vielen von ihnen geht es ähnlich wie Menschen: Sie vermissen Besuch und freuen sich über Beschäftigung. So wie der Oktopus – ein Ausbruchskünstler mit Lust auf Streicheleinheiten.

Tierpflegerin Anne-Claire Hoffmann gibt den Oktopussen im Aquazoo Streicheleinheiten.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Dr. Otto Octavius ist einer von Anne-Claire Hoffmanns Lieblingen. Ein Jahr ist der Oktopus alt und die Tierpflegerin vermutet, dass es sich bei diesem Exemplar um ein Männchen handelt. „Gewissheit gibt es aber nicht, das Geschlecht ist bei Oktopussen nämlich ganz schwer feststellbar, eigentlich sieht man es nur daran, dass der sogenannte Begattungsarm kürzer ist als bei den Weibchen.“ Dafür ist bekannt, wie alt Oktopusse in der Regel werden. In der freien Natur etwa zwei Jahre, sagt Hoffmann. In einem Aquarium wie dem Aquazoo können die Tiere schon mal vier werden.

Die Kugelfische mit ihrem Futterball.

Foto: Aquazoo Löbbecke Museum/Philipp Schroeder

Derzeit hat der Tintenfisch es nicht einfach, erzählt Hoffmann liebevoll. Denn Corona hat tatsächlich auch auf viele Wasserbewohner Auswirkungen. „Sehr viele Tiere, die unter Wasser leben, werden stark unterschätzt“, erklärt Hoffmann. Für die Tierpflegerin hat jeder Fisch einen eigenen Charakter. Und Ansprache und Beschäftigung brauchen diese ebenso wie Menschen. Und so einer wie Dr. Otto Octavius braucht noch mehr, um glücklich zu sein, sagt Anne-Claire Hoffmann: Er sehnt sich nach Nähe.

So gehört es zu den täglichen Rundgängen der Tierpflegerin dazu, mindestens einmal den Deckel seines Aquariums zu öffnen, um mit dem einjährigen Oktopus zu spielen und ihn zu berühren. „Er ist ganz schön frech, er spritzt mir auch mal gerne Wasser in das Gesicht“, erzählt sie lachend, während Otto mit seinen Armen und Tentakeln ihre Finger und Unterarme erkundet.

Die Zwergmanguste wird mit speziellem Spielzeug beschäftigt.

Foto: Aquazoo Löbbecke Museum/Philipp Schroeder

Vom Mittelmeer kam er über Karlsruhe nach Düsseldorf, „und er liebt Besuch, weil er dann Abwechslung hat“, erzählt sie. „Weil die Tiere aber so entwöhnt sind gerade, kann er sich auch mal erschrecken, wenn auf einmal jemand vor seinem Aquarium steht. Das sieht man dann daran, dass sein Körper eine dunklere Farbe annimmt. Das ist schon irgendwie süß.“

Hinter den Kulissen des Aquazoos gibt es noch einen zweiten Oktopus, der momentan noch namenlos ist – aber nicht weniger verspielt. „Der klebt auch schnell an der Scheibe, wenn wir kommen, der freut sich auch total, wenn man mal ein wenig mit ihm spielt und er Körperkontakt mit uns hat. Die brauchen eben ihre Streicheleinheiten.“ Die Deckel der Becken sind mehrfach gesichert. „Sie glauben nicht, wie schnell Oktopusse ausbüxen. Sie sind wahnsinnig geschickt und pfiffig.“ Viele famose Exemplare konnte Marie-Claire Hoffmann in ihrer Zeit im Aquazoo seit 2001 schon erleben und erzählt von den Eigenheiten: „Ursula – so eine gab es ja auch in dem Film ‚Arielle‘ – war der Wahnsinn. Wir zeigten ihr, wie man den Deckel eines Behältnisses öffnet, in dem sich eine Garnele befand. Dann warfen wir das Glas ins Becken. Und sie machte es mit ihren Armen sofort auf, um an das Futter zu kommen.“ Rabiat sei Ursula aber auch gewesen. „Sie wollte mich regelrecht ins Wasser reißen.“ Ganz anders war da der Krake Thaddäus, benannt nach der Comic-Figur Thaddäus Tentakel. „Der war forsch und wollte immer nur aus dem Becken raus und die Welt erkunden. Er blieb an meiner Hand kleben, um bloß umher getragen zu werden. Irgendwie wollte er immer raus aus seinem Aquarium.“ Ein wenig wie junge Hunde seien Oktopusse: neugierig und gutmütig. „So ein Krake hat totale Lust, zu spielen.“

5000 Tiere leben im Aquazoo, darunter ein Juwelenfelsenhüpfer, der sich gerne mal auf die Hand der Tierpflegerin setzt. „Er frisst auch aus der Hand und lässt sich streicheln.“ Die Pfleger kümmern sich im Lockdown noch intensiver um die Tiere wie zum Beispiel die Rochen, die ihren Pflegern aus einem Spieltrieb heraus am Beckenrand eine Dusche verpassen. Der Katzenhai wird darauf trainiert, Drei- und Vierecke zu erkennen.

„Wir tauchen auch regelmäßig mit unseren Haien, um zum Beispiel die Scheiben sauber zu machen oder Utensilien unter Wasser neu anzuordnen. Da müssen wir im Lockdown eben noch achtsamer sein, denn die Haie erschrecken sich eher, wenn auf einmal jemand im Becken ist. Die haben ja sonst vollkommene Ruhe“, erzählt Hoffmann. „Unser Schwarzspitzen-Riffhai zum Beispiel ist ein ganz nettes Kerlchen, er ist auch schüchtern. Da müssen wir sehr sensibel sein.“

Im Süßwasserbecken des Aquazoos testen die Tierpfleger derzeit zudem ein neues Hilfsmittel: einen Futterball. Die großen Fische des Afrika-Beckens sollen noch mehr Abwechslung und Beschäftigung in ihrem Alltag erhalten. Die Premiere verlief erfolgreich: Das Spielzeug sorgte vor allem bei den Kugelfischen Mubi und Motombo für großes Interesse – bei den Besuchern ist das Duo bekannt und beliebt, denn sie interagieren gerne mit den Menschen auf der anderen Seite der Scheibe. Sie ließen die Kugel keine Sekunde aus den Augen, wie Marion Wille, Kuratorin für den Süßwasserbereich, sagt: „Der Futterball hält die Fische auf Trab.“

Auch über Wasser gibt es ein Bespaßungsprogramm. „Die Tierpfleger arbeiten hier eng mit den Handwerkern zusammen – und alle machen Purzelbäume, um artgerechtes Spielzeug zu basteln.“ Mit Hilfe diverser Verstecke wird die Fütterung der Zwergmangusten etwa möglichst lang gestaltet. In eigens präparierten Kartons, Fußbällen oder Strohsäcken suchen sie nach Heuschrecken und Mehlwürmern, berichtet der Leiter des Aquazoos, Jochen Reiter. Das alles sind in seinen Augen vernünftige Ansätze. „Wir wollen vor allem, dass unsere Tiere – auch im Lockdown – artgerecht behandelt und versorgt werden.“ Medienberichten aus anderen Zoos, dass Pinguinen zur Zerstreuung und Unterhaltung Filme vorgespielt werden, begegnet Reiter misstrauisch. „Manchmal denke ich, das ist auch ein ganz schöner Marketing-Trick. Wir haben ja auch Pinguine – und ich bin sicher: Wenn wir denen Filme zeigen würden, die wären verschreckt. Schon der Filmapparat würde ihnen Angst machen.“