„Nie wieder hilflos“ CDU-Politiker Norbert Röttgen stellt sein Buch in der Mayerschen vor
Düsseldorf · Wie er den Ukraine-Krieg analysiert, was er Politik-Kollegen vorwirft und wo er Gefahren sieht, erläuterte er bei einer Lesung seines Buchs „Nie wieder hilflos“.
Der Mann spricht, oder besser: schreibt Klartext. CDU-Politiker Norbert Röttgen, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, hat über seine Weltsicht, die aktuelle internationale Problemlage und deren mögliche Lösungsansätze ein Buch geschrieben. „Nie wieder hilflos“ heißt es und wurde jetzt in der Mayerschen Buchhandlung im Rahmen einer Lesung vorgestellt.
„Ich habe zwar viele Gelegenheiten, mich öffentlich zu äußern, aber kaum die Möglichkeit, meine Gedanken zur nationalen und internationalen Situation zusammenhängend zu artikulieren“, begründet der ehemalige stellvertretende Parteivorsitzende seinen schriftstellerischen Ausflug. Darin analysiert
er den Weg zum Ukraine-Krieg, zeichnet ein Psychogramm von Wladimir Wladimirowitsch Putin, nimmt globale Herausforderungen wie Corona in den Blick und sieht uns aktuell in einer knallharten Auseinandersetzung um das bessere Regierungssystem mit Russland und China.
Und Röttgen scheut sich nicht, der deutschen Politik und Wirtschaft eine Mitverantwortung für die derzeitige Situation zuzuordnen. „Wladimir Putin führt Krieg, wie Großmächte im 19. Jahrhundert Kriege führten. Die Souveränität anderer Staaten, ihr Recht auf territoriale Integrität, ja das Völkerrecht als maßgebliche Autorität zur Regelung der Beziehungen zwischen Staaten bis hin zu dem Wunsch und dem Recht eines Volkes, als Nation zu leben – alles das sind Errungenschaften, die durch die bittersten Erfahrungen von zwei Weltkriegen gewonnen wurden. Für Wladimir Putin mit seinem imperialen Machtanspruch und völkischen Nationalismus existieren sie nicht“, las Röttgen aus einem Buch.
Mit dem Überfall auf die Ukraine greife Putin auch fundamental in die europäische Friedensordnung ein, die nach dem zweiten Weltkrieg begründet wurde. Dabei wirft Röttgen deutschen und europäischen Politikern vor, Putin massiv unterschätzt und seinen martialischen Äußerungen keinen Glauben geschenkt zu haben. „Warum aber war für uns unvorstellbar, was Putin nicht nur schon lange geplant, sondern worüber er gesprochen und was er auch schon punktuell etwa mit der Annexion der Krim sowie dem militärischen Eindringen in die Ost-Ukraine praktiziert hat?“, fragte der Außenpolitiker. „Putin will ganz Europa.“ Die Antwort findet Röttgen überwiegend in dem nahezu unstillbaren Hunger der Wirtschaft nach billiger Energie. „Wie kann Putin die Sanktionen nach der Krim-Annexion 2014 ernst nehmen, wenn schon 2015 das Projekt ‚Nord Stream 2‘ bei uns politisch durchgewunken wurde?“ so Röttgen. „Mit der Krim hat Putin die psychische Verfassung seines Landes verändert. Es gelang ihm, den Russen nationalen Stolz zurückzugeben.“
Für den CDU-Politiker ist die Auseinandersetzung mit Russland aber nur ein Teil des derzeit weltweit tobenden Systemkampfes zwischen Demokratien und Autokratien. „Die strategische Abhängigkeit einzelner deutscher Unternehmen von China repräsentiert die strategische Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft. Unsere ökonomische Abhängigkeit von China ist größer als die von Russland“ stellt Röttgen fest.
Er fordert ein Umdenken in der Außenpolitik, Ehrlichkeit in der politischen Kommunikation, auch wenn es unangenehme Wahrheiten zu verkünden gäbe. „Wir müssen ein neues Selbstverständnis entwickeln über unsere Rolle in Europa und in der Welt“, meint der Autor. „Und wir müssen offen darüber sprechen, dass Frieden und Freiheit einen Preis haben.“