Düsseldorfer Rhetorik-Club Wie man eine gelungene Rede hält
Düsseldorf · Regelmäßig treffen sich die Toastmasters, um die Kunst des geschliffenen Vortrags zu üben. Der soll Spaß machen und überzeugen
Mit 25 schon hatte sich Malte W. Wilkes als Unternehmensberater selbständig gemacht. „Zeit meines Lebens musste ich vor Kunden präsentieren und Reden halten.“ An seinen ersten Auftritt vor großem Publikum erinnert er sich auch deswegen gut, weil der nicht lief wie gedacht: Der heute 72-Jährige fiel nämlich in Ohnmacht. „Mitten im Vortrag kippte ich vor versammelter Mannschaft um, ich muss wohl eine totale Panik gehabt haben. Ich bin auf den Boden gesunken und bekam dann ein Glas Wasser ins Gesicht geschüttet.“ Instinktiv machte Wilkes etwas sehr Kesses: Er stand auf und setzte seinen Vortrag fort. „Ich habe einfach so getan, als wäre nichts passiert.“
Das ist heute, nach gefühlt tausend Reden, einer seiner wichtigsten Tipps: „Wenn man in seiner Präsentation Fehler macht: Kommentieren Sie diese nicht, entschuldigen Sie sich nicht. Meistens merkt das Publikum ihre Fehler gar nicht – es sei denn, man kippt um. Dafür war mir damals die Aufmerksamkeit aller sicher“, sagt er heiter.
Das Reden war Wilkes also schon lange gewohnt. Dafür hätte er den Rednerclub namens Toastmaster nicht gebraucht, auf den er erst 2013 stieß. „Eine Bekannte schleppte mich mit. Ich dachte noch, was soll ich dort? Dann war ich baff.“ Denn: „In meinem Alter hat man vom früheren Verteidigungsminister und CSU-Chef Franz Josef Strauß gelernt. Das bedeutet: Jede noch so kleine Rede ist per se länger als 20 Minuten“, sagt Wilkes, dessen Lust auf Ironie immer wieder durchblitzt. „Aber eine Rede von fünf Minuten zu halten, das konnte ich nicht, das ist aber die eigentliche Kunst“, meint der Unterbilker, der später auch Präsident des Düsseldorfer Clubs wurde und Ehrenpräsident beim Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) ist. Sein Credo: „Reden und Präsentationen sollen überzeugen, nicht informieren. Sie müssen vor allem Spaß machen.“ Das dauert, wie Wilkes aus eigener Erfahrung weiß: „Zum Meister eines guten Toasts, eben zum Toastmaster, wird man nicht über Nacht.“
Die Redewendung „Einen Toast aussprechen“ stammt aus England und geht aufs 19. Jahrhunderts zurück. Damals gab es unter den Lords die Sitte, ein Stück geröstetes Brot in den Wein zu geben, damit er besser schmeckt. Bis heute hat sich daher der Ausdruck gehalten, wenn man auf etwas anstoßen will.
Wilkes geht es nicht nur um das Geschehen auf der Bühne und Präsentationen im Beruf. „Der meiste Smalltalk auf Partys zum Beispiel ist so langweilig, dass ich mich entweder betrinken muss, um ihn zu ertragen, oder am besten gleich gehe.“ Es seien die antiken Redetechniken, die in seinen Augen jeder beherrschen sollte. Seine Lieblingsbeispiele sind längst seit Jahrhunderten Legenden: Der Grieche Aristoteles und der Römer Marcus Tullius Cicero – beide begnadete Rhetoriker und auch Pioniere auf diesem Feld.
Auch der Apple-Gründer Steve Jobs ist für Wilkes ein Faszinosum, der setzte mit den Präsentationen seiner neuen Produkte Maßstäbe in der Moderne. „Er war weiß Gott kein Naturtalent, Jobs hat einfach unendlich viel geübt.“
Die Toastmaster sind eine amerikanische Erfindung. 1924 gründete sich in Los Angeles aus dem Verein für christliche junge Männer (YMCA) der erste Club. Fast 15 800 Toastmasters-Vereine weltweit gibt es mittlerweile. Damit ist Toastmasters International (TMI) laut eigener Einschätzung die weltgrößte Non-Profit-Organisation, um öffentliches Reden und damit idealerweise auch Führungsfähigkeit zu erlernen.
„Die Toastmasters sind weltanschaulich und politisch unabhängig“, sagt Wilkes, der besonders stolz auf den 2005 gegründeten Düsseldorfer Club ist. „Menschen verschiedener persönlicher und beruflicher Hintergründe und aller Altersgruppen kommen zusammen. Als Toastmaster lernen sie, frei vor Publikum zu reden, indem sie Rede-Projekte vorbereiten oder Sprecher-Rollen übernehmen und dafür von anderen Mitgliedern konstruktives und ein immer wertschätzendes Feedback erhalten. Das Durchschnittsalter liegt in Düsseldorf laut Wilkes zwischen 25 und 40 Jahren, der jüngste Teilnehmer ist oft erst 18, der älteste an die 80. Es gibt auch englischsprachige Abende. Etwa 170 Mitglieder gibt es in der Landeshauptstadt, 200 sind das Ziel – und ein neuer Clubraum. Denn aus dem angemieteten Gebäude an der Münsterstraße über der Sparkasse müssen die Toastmaster bald raus.
Schon jetzt arbeiten Wilkes und das übrige Präsidium an der nächsten und damit vierten Rede-Nacht im Savoy. Nach 2018, 2019 und 2020 soll sie am 19. Oktober stattfinden. Der provokante Arbeitstitel steht auch schon fest: Kohle, Sex und großes Fressen. Die heiteren Unbekannten lassen grüßen. Sechs Reden soll es geben und das Publikum wird einen Sieger küren. Dazwischen lockert Musik auf. „Damit sind wir die einzigen Toastmaster der Welt auf einer so großen Bühne.“ Mit dem Programm wollen die Düsseldorfer frech brechen mit den ungeschrieben Gesetzen des Clubs, die manch einer in ähnlicher Form auch aus den Empfehlungen des deutschen Benimm-Experten Adolph Freiherr von Knigge kennen dürfte: „Smalltalk über Sex, Religion, Geld und Politik zu machen, gilt als Todsünde und schickt sich in Gesellschaft überhaupt nicht. Weitsichtig wollten die Toastmaster-Gründer und Knigge verhindern, dass die Menschen sich beim Smalltalk über solche Themen in die Haare bekommen.“ Die Düsseldorfer Toastmaster wollen am 19. Oktober eine mitreißende Show hinlegen, denn das weiß der jung gebliebene Wilkes mit seinen [etwas Eitelkeit muss sein] erfahrungsreichen Jahren ziemlich sicher: „Nichts ist schlimmer als Langeweile – besonders auf der Bühne ist das der Tod.“