Prozessflut Andreas-Quartier zieht Klagen nach sich

Altstadt · Im Zusammenhang mit dem Umbau des Quartiers ergab sich eine Prozessflut. Das Landgericht befasst sich fast ununterbrochen mit Klagen und Gegenklagen. Aktuell liegt der Gesamtumfang bei 60 Millionen Euro.

Das Andreas-Quartier in der Altstadt sieht schmuck aus – und beschäftigt die Justiz.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Juwel der Altstadt, Wohnzimmer Düsseldorfs, Schmuckstück oder einfach nur Sahnehäubchen: Seitdem das alte Gebäude des Amts- und Landgerichts im Herzen der Altstadt vor rund zwölf Jahren von der Justiz geräumt wurde, hat das Gebäude an der Mühlenstraße nach Umbau und Neugestaltung nicht nur den neuen Namen Andreas-Quartier erhalten, sondern noch andere, wohlklingende Beinamen.

Die aufwändige Umgestaltung des jahrzehntelang vernachlässigten Justizgebäudes in ein jetzt schmuckes Vorzeigobjekt auf einem Filetgrundstück war aber nicht nur ein Mammutprojekt mit Abermillionenbudget und mehreren Neubauten – es habe auch „viel Leid“ gegeben und Blut sei geflossen, formulierte jetzt ein beteiligter Bautechniker. Und mindestens seit dem Jahr 2017 muss sich die Justiz an ihrem neuen Standort am Oberbilker Markt fast ununterbrochen mit Klagen zwischen dem Bauherrn Frankonia Eurobau und etlichen Handwerksfirmen, Technikern oder Planungsbüros befassen. Der Gesamtumfang von aktuell rund 40 Klagen und Gegenklagen beim Landgericht liegt bei rund 60 Millionen Euro.

Eine lange Liste von Klägern und Beklagten

Unter dem Stichwort „Frankonia“ listet die Justizdatenbank nach Auskunft des Landgerichts derzeit mehr als 360 aktuelle, aber auch längst erledigte Verfahren auf. Solche Dimensionen entstehen allerdings bei fast jedem Großbau-Projekt – und auch bei fast jedem anderen Baukonzern. Und nur bei rund 40 jener Prozesse, an denen die Frankonia Eurobau aktuell aktiv oder passiv beteiligt ist, geht es um das Andreas-Quartier. Dabei streiten Ex-Geschäftspartner auch viele Jahre nach der Neuentwicklung und Fertigstellung des altstädtischen Kleinods noch immer um die Qualität von geleisteten Arbeiten in sogenannten Gewerken.

Mal fordern Handwerker angeblich ausstehenden Werklohn, mal macht im Gegenzug die Frankonia angebliche Überbezahlung geltend – und will dafür die klagenden Handwerker zur Kasse bitten. Grob lässt sich der Klage-Ablauf in zwei Kategorien einteilen: Pochten anfangs etliche beteiligte Bauhandwerkerfirmen oder –planer auf die Bezahlung für angeblich tadellos geleistete Arbeiten, so rückt inzwischen die Frankonia ebenfalls konzentriert gegen Handwerksfirmen aus fast allen Branchen vor, aber auch gegen Ingenieur-, Technik- und Planungsbüros.

Die Streitwerte bei jenen Zivilklagen klingen dann meist exorbitant. So fordert der Bauherr von einem Berliner Projektüberwacher inzwischen sogar die Summe von rund 50 Millionen Euro als Schadensersatz – unter anderem deshalb, weil jenes Büro die Aufsicht über Bauabläufe an der Mühlenstraße angeblich nicht ausreichend wahrgenommen habe, wodurch dann gigantische Finanzierungsschäden entstanden sein sollen. Doch dagegen verwahrt sich das damalige Überwachungsbüro vehement und mit allen juristischen Mitteln.

Etliche Betriebe sind in die Insolvenz gerutscht

Und in der Liste der aktuellen Klagen findet sich auch ein Verfahren, das mit einem Streitwert von 32 176,07 Euro nahezu bescheiden wirkt. Hier geht es darum, ob eine frisch eingebaute Fettabscheideranlage mangelhaft gewesen sein könnte. Als Kläger oder Beklagte finden sich in der aktuellen „Andreasquartier-Liste“ jedoch auch eine Aufzugsfirma, Schieferspezialisten, Dachdecker, eine Schlüsselfirma, ein Betrieb für Bodenbeläge, Gerüstbauer, eine Fensterbaufirma, Gebäudetechniker oder Spezialisten für Trocken- oder für Innenausbau.

Etliche kleine oder mittelständische Betriebe, die einst am Andreas-Quartier mitwirkten, sollen durch solche Streitigkeiten um angeblich ausstehende Werklöhne schon längst in die Insolvenz gerutscht sein. Allerdings schätzt ein leitender Frankonia-Manager, dass nur zwei bis drei Prozent aller umstrittenen Gewerke beim Andreasquartier überhaupt vor Gericht gelandet seien. So habe man als Bauherr etlichen Handwerkerfirmen wegen angeblich schlechter Leistungen mitten während der Bauarbeiten kündigen – und stattdessen andere Fachbetriebe für diesen Arbeitsbereich gewinnen müssen, um Termine und Qualitätsansprüche halten zu können. Und um angeblich schon entstandene Baumängel wieder zu beseitigen. Finanzierungspläne seien so mehrfach in Gefahr oder sogar ins Rutschen geraten. Das und eine zunehmende Streitkultur, so der Manager weiter, habe auch beim Bauherrn des Quartiers eine regelrechte Blutspur hinterlassen.

Klärung der Klagen wird noch lange dauern

Bis die Justiz also im Zusammenhang mit ihrem ehemaligen Altstadt-Gebäude einen Schlussstrich unter all die Klagen und Gegenklagen ziehen kann, dürften noch etliche Gutachten und Gegengutachten nötig sein – und darüber dann sehr viele Monate oder gar Jahre vergehen.