Düsseldorfer Knigge-Expertin spricht klare Worte „Laxer Umgang sorgt für Angst“

Interview · Die Knigge-Expertin Linda Kaiser vermittelt Takt und guten Stil. Die Hygiene im Umgang mit Masken wirft kein gutes Licht auf viele Menschen, wie die Benimm-Trainerin findet.

Von ihrer Kindheit an setzt sich die in Düsseldorf verortete Knigge-Expertin Linda Kaiser mit guten und schlechten Manieren auseinander.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Die Krise spitzt sich auch in Düsseldorf wieder zu, es gibt auch neue Regeln, wann und wo wir die Maske zu tragen haben. Wie ist Ihr Eindruck fast acht Monate nach dem Shutdown im März?

Linda Kaiser: Ich habe wie viele andere auch nichts anderes erwartet. Der erneute Anstieg der Neuinfektionen war ja für die kältere Jahreszeit prognostiziert. Am Anfang der Corona-Pandemie und auch in den Folgemonaten wurde die Maske fast ein wenig als lästiges Accessoire wahrgenommen und nicht als Schutz vor dem Virus. Das hat mich schon recht verwundert und betroffen gemacht.

Beim Umgang mit der Maske sind der Phantasie – oder sollte ich besser sagen: dem Unbewussten – keine Grenzen gesetzt. Viele haben Sie unter der Nase oder direkt unter dem Kinn. Was denken sich die Leute?

Kaiser: Vielen ist nicht bewusst, dass das ein vollkommen inakzeptables Verhalten ist, denn schließlich können die Viren auch über die Nasenschleimhäute auf andere übertragen werden. Wenn ich von A nach B zu jeweils geschlossenen Räumen unterwegs bin und die Maske schnell unter das Kinn ziehe, dann wissen wir ja längst, dass das sehr unhygienisch ist. Man sollte sie dann besser komplett
abziehen.

Besonders bei Männern fällt mir auf, dass die die Maske oft über den Arm gestreift oder gewickelt haben statt sie zum Beispiel in die Hosentasche zu stecken. Das ist auch nicht besonders sauber, oder?

Kaiser: Diese Verhalten unterstreicht den Stellenwert als lästiges Hilfsmittel. Zudem sieht es hässlich aus und ist auch unhöflich den Mitmenschen gegenüber, denn wer sich die Maske um den Arm auf nackter Haut wickelt, der hat die Bakterien des Armes an der Maske und umgekehrt. So könnten andere auch wieder leichter mit den Viren in Berührung kommen. Ein Herr hatte kürzlich eine seltsame Begründung für sein Vorgehen: Er sagte, er lässt die Maske so trocknen, da musste ich lachen.

Also, am besten in die
Hosentasche?

Kaiser: Eigentlich ja, aber genau genommen erst in einen sauberen Beutel packen und dann in die Hosentasche
stecken.

Es gibt ja Vorgaben, wie lange ich die verschiedenen Masken am besten tragen sollte. Meinen Sie eigentlich, dass sich die Leute daran halten und ihre Baumwollmasken regelmäßig waschen und die anderen heiß bügeln?

Kaiser: Mein Eindruck ist, dass viele Menschen damit wirklich extrem nachlässig umgehen. Ich höre es hinter vorgehaltener Hand immer wieder, dass viele einfach nicht daran denken, die Maske wenigstens täglich zu wechseln. Ich kenne sogar Leute, die eine Maske, die nach vier Stunden ausgetauscht werden sollte, zwei Wochen gebrauchen, das ist natürlich eine
Katastrophe.

So nach dem Motto: Das Coronavirus überlebt, aber an den eigenen Bakterien
gestorben?

Kaiser: Genau. So in diese Richtung könnte es gehen. Schauen Sie, das Atemwegssystem ist ja hoch empfindlich, und jeder kann sich denken, dass es ungesund ist, zwei Wochen durch verunreinigtes und immer wieder durchfeuchtetes Vlies oder Baumwolle zu atmen.

Wissen Sie, dass ich viele Paare kenne, die sich zum Beispiel beim Einkaufen mit schon benutzten Masken aushelfen?

Kaiser: Das ist auch ein völliges No-Go. Man benutzt doch auch nicht die Zahnbürste des anderen. Und man teilt sich ja auch nicht die getragene Unterwäsche. Es muss schon in den Köpfen der Leute ankommen, dass die Maske nicht nur Symbolcharakter hat, sondern die Gesundheit schützt.

Auf jeden Fall hat die Modebranche die Masken für sich entdeckt. Trägt ein stylischer Mund-Nasen-Schutz auch zur Verharmlosung des Themas bei?

Kaiser: Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass die Maske auch gut oder originell aussehen kann, doch an allererster Stelle muss die Hygiene stehen. Es ist etwas unsinnig, sich eine teure Designermaske mit 500 Strasssteinchen zu kaufen, die beim ersten Waschen fast alle abfallen. Dann doch lieber auf die normalen Varianten setzen oder waschbare Stoffmasken farblich passend zum Outfit wählen.

Die Masken werden an allen verschiedenen Orten „abgelegt“: Im Fußraum des Beifahrersitzes, am Rückspiegel, am Fahrradlenker, mal kurz unter den Arm geklemmt. Wie kann das sein?

Kaiser: Das ist eine gute Frage. Manchmal habe ich den Eindruck, es handelt sich hierbei um einen stillen und vielleicht sogar unbewussten Masken-Protest. Auf jeden Fall nehmen Menschen, die ihre Maske so behandeln, auch das Virus und seine Folgen nicht wirklich ernst. Das ist ebenso bedauerlich wie verantwortungslos.

Was mache ich denn eigentlich, wenn jemand im Aufzug etwa keine Maske trägt oder nicht richtig?

Kaiser: Besonders, weil die Corona-Infektionszahlen wieder steigen und Experten vor einer zweiten Welle warnen, sorgt solch laxes Verhalten für Ärger und auch für Angst. Ich würde zunächst allerdings davon ausgehen, dass die meisten Menschen keine Maskenverweigerer sind, die absichtlich provozieren wollen. Vieles passiert vollkommen unbewusst. Wir berühren uns selber jeden Tag ja auch zahllose Male im Gesicht, ohne dass uns das bewusst ist. Bleiben Sie in so einer Situation immer sachlich und höflich. Zum Beispiel können Sie ganz direkt sagen: Könnten Sie bitte ihre Maske aufsetzen, ich fühle mich sonst in Ihrer Gegenwart unwohl. Oder: Sie haben sicher vergessen, die Maske aufzusetzen?!

Sensibililät ist auf beiden Seiten gefragt?!

Kaiser: Der größte Fauxpas überhaupt ist es, Menschen gegenüber aggressiv und respektlos aufzutreten. Auch das Tadeln für schlechtes Benehmen, möglichst noch vor Zeugen, ist ein sehr schlechter Stil. Also, wenn möglich, auch bei angemessener Kritik immer gelassen und diskret
vorgehen.