Familien in Düsseldorf Die Agentur Mary Poppins bringt Nannys und Familien zusammen
Düsseldorf · Immer mehr Familien beschäftigen eine Nanny. Aber was ist das für ein Job? Eine Nanny und eine Vermittlerin geben Antworten.
Mary Poppins gilt als Inbegriff des Kindermädchens: Mit Regenschirm kommt sie vom Himmel geschwebt, um die Kinder zu hüten, singt und gibt der Familie Banks nahezu im Vorbeigehen die Freude am Alltag zurück. Ganz ähnlich – nur ohne Regenschirm, versteht sich – interpretiert auch Leonie Böhme ihren Job. Die 27-Jährige ist Nanny in Vollzeit. Drei Nächte in der Woche ist sie im Dienst und betreut ein fast zweijähriges Kind. Sie kommt gegen acht, kümmert sich um das Kind, wenn es nachts aufwacht, und bleibt bis nach dem Frühstück am nächsten Morgen. Bei der Familie hat sie ein eigenes Zimmer, und wenn nachmittags oder am Wochenende Unterstützung gebraucht wird, ist sie – wenn sie Zeit hat – ebenfalls zur Stelle. Ein ungewöhnlicher Job mit ungewöhnlichen Arbeitszeiten, „mein absoluter Traumjob“, sagt Böhme.
Die Agentur Mary Poppins, ein deutschlandweit agierendes Unternehmen, das seit Anfang 2020 auch in und um Düsseldorf Hilfspersonal für den Haushalt vermittelt, hat sie und die hilfesuchende Familie zusammengebracht. Nannys gibt es längst nicht mehr nur bei den Royals oder Hollywood-Stars, sondern zunehmend auch in deutschen Haushalten. „Die Nachfrage nach Nannys wächst“, sagt Inhaberin Claudia Höttges, zu deren Kunden vor allem wohlhabende Familien gehören. Denn den Service muss man sich leisten können: In Vollzeit verdient eine Nanny mit entsprechender Ausbildung und Berufserfahrung um die 3000 bis 3500 Euro brutto. Höttges vermittelt Personal nur in Festanstellung und ab 20 Wochenstunden. Sie schaut, wer zueinander passen könnte, führt Vorgespräche und bringt die Parteien zusammen. Einmalig 15 Prozent vom Bruttojahreslohn bekommt sie dafür von der Familie.
Fürs Gehalt und die Vertragsgestaltung gibt Höttges Richtwerte an und ist auch nach Arbeitsbeginn Ansprechpartnerin, wenn etwas nicht so laufen sollte wie geplant. Die Verträge schließen die Familien aber direkt mit den Nannys oder Haushaltshilfen ab. So auch bei Leonie Böhme, die nach der Probezeit in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit 42 Wochenstunden übernommen wurde. Zuvor hatte sie in Kindergärten und Grundschulen gearbeitet – ausschlaggebend für den Wechsel war dann aber, sich nur noch auf eine Familie konzentrieren zu wollen. Sie bewarb sich bei der Agentur – und war innerhalb von zwei Wochen vermittelt. Anfangs sei die Nachtarbeit und die Umstellung von einer Fünf-Tage-Woche noch ungewohnt gewesen, mittlerweile könne sie sich kaum etwas Besseres vorstellen, sagt sie.
Für Böhme war die Nähe entscheidend, die entsteht, wenn jemand so Teil des Alltags wird, wie es bei einer Vollzeit-Nanny der Fall ist. Sie hatte sich sogar eine Familie mit einem kleinen Kind gewünscht, sagt sie, „damit ich beide möglichst lange begleiten und meinen Teil zu Erziehung und Familienleben beitragen kann.“ Probleme, die professionelle Distanz zu wahren, hat sie nicht. Es sei klar, dass sie keine Freundin der Familie sei, sagt sie, dennoch sei das Vertrauen groß – und schon beim ersten Kennenlernen zu spüren gewesen.
Auch Quereinsteigerinnen sind
in der Agentur willkommen
Der persönliche Kontakt ist auch für Claudia Höttges entscheidend: Sie lernt jede Familie kennen, die bei der Agentur anfragt, und nimmt die Bewerberinnen – es sind ganz überwiegend Frauen – genau unter die Lupe. „Die Angestellten genauso wie die Familien müssen wissen, wer wir sind, und wir müssen uns gegenseitig vertrauen, das ist das A und O.“ Vorerfahrung benötigen Nannys wie Haushaltshilfen nicht, auch wenn diese etwa bei der Gehaltsverhandlung nicht schadet. Doch Höttges arbeitet auch gerne mit Quereinsteigerinnen zusammen, Frauen, deren Kinder aus dem Haus sind zum Beispiel und die gerne wieder einen Haushalt führen möchten. Wichtig ist, dass es zwischen der Familie und der Bewerberin passt, sagt Höttges.
Seit knapp zweieinhalb Jahren vermittelt Höttges in Düsseldorf, aber auch bis nach Mönchengladbach und an den Niederrhein Personal. Zu ihren Klienten gehören unter anderem Ärzte, Anwälte, einige Prominente sind auch darunter. Zu den wichtigsten Eigenschaften der Damen, wie Höttges sie nennt, gehört deshalb Verschwiegenheit. Viel mehr, als dass sie ein Kind hat und in Meerbusch wohnt, darf Böhme über ihre Familie nicht verraten, das hat sie vertraglich zugesichert. Höttges verlangt zudem von allen Bewerberinnen ein Führungszeugnis.
Dass die Dienstleistung der Agentur und auch die der Haushaltshilfen ihren Preis haben, weiß Claudia Höttges. „Aber das wissen die Kunden auch, die hier anrufen, da gibt es eigentlich nie Diskussionen.“ Manche Nannys leben auch vollständig im Haushalt der Familie oder gehen mit auf Reisen – alles eine Frage des Preises. Zwischen Anfang 20 und Mitte 60 sind die Nannys der Agentur alt, ihre Zahl im Portfolio liegt nahezu im dreistelligen Bereich. Nach einer Anfrage beträgt die Wartezeit im Schnitt rund zwei bis drei Monate. „Düsseldorf ist als Stadt geradezu prädestiniert für eine Agentur wie unsere“, sagt Höttges, „es ist schwer, gutes Personal zu finden und wir nehmen den Familien diese Arbeit gerne ab.“
Trotzdem kann es manchmal zu Problemen kommen, wenn die Chemie doch nicht so stimmt wie gedacht oder eine Mitarbeiterin schlecht behandelt wird. Dann ist Höttges ebenfalls gefragt, sucht das Gespräch, vermittelt – und gibt auch zu verstehen, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Sie ist selbst Quereinsteigerin, war früher im Verkauf tätig und zeitweise selbstständig. „Mit 50 habe ich mich dann entschieden, noch einmal etwas ganz Anderes zu machen.“ Ihre Stärke sei es eben, Menschen zusammenzubringen, die könne sie jetzt voll ausspielen. Erst war sie mit allem alleine, inzwischen gibt es eine Mitarbeiterin, die ihr einiges abnimmt.
Bewerbungsgespräche und auch die Besuche bei den Familien übernimmt Höttges aber weiterhin selbst. Das Vertrauensverhältnis aller Parteien sei ihr wichtigstes Faustpfand, schließlich trügen besonders die Nannys große Verantwortung. Das sieht auch Leonie Böhme so, die eigentlich nur eines an ihrem Job stört: dass andere diesen manchmal nicht ernst nehmen. Das sei doch nur Babysitting, habe sie schon öfter gehört, erzählt sie, oder nur etwas zur Überbrückung. Das sehe sie ganz anders, sagt sie. Man sei oft alleine mit dem Kind und müsse auch in Notfallsituationen Entscheidungen treffen. „Außerdem bin ich eine feste Bezugsperson für das Kind und die Familie“, sagt Böhme, „und ich passe auf das Wichtigste und Wertvollste auf, was sie hat.“