Warum wollen Sie überhaupt choreografieren?
Interview Tänzerin Helen Clare Kinney wird in Düsseldorf zur Choreografin
Düsseldorf · Interview Helen Clare Kinney gehört seit fünf Jahren zur Ballett-Companie – jetzt debütiert sie hinter der Bühne.
Helen Clare Kinney – die junge Amerikanerin tanzt seit einigen Jahren im Ballett am Rhein. Am Freitag steht sie aber erstmals nicht auf, sondern hinter der Bühne. Und präsentiert ihre erste Choreografie, die sie mit ihren Kollegen einstudiert hat. Für ihr Debüt als Kreateurin wählte sie den rätselhaften Titel „Unqualifiziert“. Aufgeführt wird das Werk im Rahmen des Ballettabends „Young Moves“, bei dem Tänzer der Kompanie ihr Talent als Choreografen unter Beweis stellen können. Neben Kinney sind es der Franzose Brice Asnar, der Amerikaner Michael Foster und die Koreanerin So-Yeon Kim. Eine internationale Mischung, die einen vielfältigen Kunstgenuss in Aussicht stellt. Die WZ sprach mit Helen Clare Kinney.
Helen Clare Kinney: Das Programm ist eine einzigartige Möglichkeit, um sich künstlerisch neu ausleben zu können. Es schwirrten schon längere Zeit Ideen für ein eigenes Stück in meinem Kopf herum, die ich nun umsetzen kann.
Wie kamen Sie auf den Titel „Unqualified“?
Kinney: Ich wollte mich unbedingt für das Programm als Choreografin bewerben, aber konnte nicht von dem Gefühl loskommen, mich „unqualifiziert“ zu fühlen. Es hat für mich die Frage aufgeworfen, welche Stimmen/Meinungen wir heutzutage gestatten. Kann jemand jemals wirklich „qualifiziert“ für irgendetwas sein? Das Stück beschäftigt sich mit dieser Frage.
Wählen Sie erst die Musik, um dann die Schrittkombinationen zu entwickeln?
Kinney: Witzigerweise habe ich zuerst die Musik ausgewählt, habe aber im Endeffekt 50 Prozent während des Choreografierens geändert. Die Änderungen haben sich als unerwartet und aufregend erwiesen.
Welche Art von Musik?
Kinney: Das Stück hat viel damit zu tun, sich an seiner Version von Realität zu ergötzen. Daher war es wichtig, dass die Tänzer sich mit der Musik identifizieren können. Ich fand es notwendig, dass die Musik die populäre zeitgenössische Kultur repräsentiert, mit der ich vertraut bin. Ich wollte, dass die Musik sich zugleich auf die Oper als formalen Veranstaltungsort bezieht und gleichzeitig einen Kontrast dazu bildet. Die Musik gestaltet sich wie eine „Playlist“, da dass größtenteils die Art ist, wie wir heute Musik hören.
Was wird das Publikum sehen?
Kinney: Ich glaube, es ist weniger eine Erzählung, sondern eher thematisch und konzeptuell.
Wird man dennoch eine Geschichte verstehen?
Kinney: Es sind viele kleine Geschichten in dem Stück integriert, die nicht lesbar für das Publikum sein werden. Ich hoffe aber, dass Intentionen und Emotionen rüber kommen.
Ist es tragisch oder humorvoll?
Kinney: Ich finde, dass Humor tragisch sein kann und umgekehrt. Das Stück soll auf dieser feinen Linie liegen.
Welcher Stil? Neoklassisch, Modern oder Tanztheater?
Kinney: Die meisten Bewegungen basieren entweder auf Texten, die die Tänzer auf meinen Wunsch geschrieben haben, auf Gesprächen oder charakteristischen Stärken, die ich beobachtet habe. Das führt dazu, dass alle Stile involviert sind.
Gab’s während der Probe ein Feedback?
Kinney: Ja! Ich weiß, dass ein Tänzer praktische Elemente der Bewegungen besser versteht als jeder andere im Raum. Deshalb habe ich um Feedback gebeten und strebe nach einer dialogischen Arbeits-Atmosphäre.
Von welchen Choreografen sind Sie beeinflusst?
Kinney: Hervorstechende Namen sind: Mats Ek, William Forsythe, Ohad Naharin, Peggy Baker, Pina Bausch und Martin Schläpfer. Ich lasse mich ebenfalls von Musikern, Schauspielern und Filmemachern inspirieren.
Wie ist es mit Tänzer-Kollegen als Choreografin zu arbeiten?
Kinney: Wundervoll! Sie sind extrem kreativ und sind mehr als gewillt, ein Risiko einzugehen. Sie sind sehr fokussiert, rücksichtsvoll, körperlich und künstlerisch talentiert. Die meisten haben mehr Erfahrung als ich und mir viel Neues beigebracht. Ich ziehe den Hut vor ihnen!
Fünf Jahre Ballett am Rhein. Was waren für Sie die wichtigsten Erfahrungen?
Kinney: Jede Erfahrung hat mich etwas gelehrt. Ich habe viel darüber gelernt, mir selbst zu trauen und einfach ich selbst zu sein. Sowohl als Person als auch als Tänzerin von Martin Schläpfer. Eine schwerwiegende Hüftverletzung, die mich für über ein Jahr aus dem Rennen geworfen hat, lehrte mich außerdem eine nachhaltige und ausgeglichene Routine zu entwickeln.