Düsseldorfer Flughafen-Chef: „Wir brauchen dringend neue Kapazitäten“
Der Düsseldorfer Flughafen-Chef Thomas Schnalke spricht über den Zeitplan des Ministeriums, die Folgen der Air-Berlin-Pleite und das neue Eurowings-Ziel Bangkok ab Oktober.
Düsseldorf. Vor Beginn der Sommerferien war Flughafen-Chef Thomas Schnalke skeptisch, ob die Sicherheitskontrollen diesmal besser laufen würden als vor Jahresfrist. Das Sicherheitsunternehmen Kötter meldete dagegen schon nach wenigen Tagen, alles laufe reibungslos.
Herr Schnalke, die Sommerferien sind vorbei, 3,9 Millionen Fluggäste hatten Sie am Düsseldorfer Flughafen. Wie lautet Ihr Fazit?
Thomas Schnalke: Wir ziehen für die Sommerferien eine positive Bilanz. Die Sicherheitskontrollen hatten ja im vergangenen Jahr den größten Anteil an den erheblichen Verzögerungen in der Passagierabfertigung. Noch vor den Sommerferien hat die Bundespolizei die Firma Kötter abgemahnt — das war für mich Grund, auch weiterhin Skepsis an den Tag zu legen. Die Firma Kötter war zu dem Zeitpunkt nicht in der Lage, das geforderte Personal zur Verfügung zu stellen. Das hat sie während der Sommerferien aber geleistet — das ist wichtig hervorzuheben. Das ist ein Punkt, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass der Urlaubsverkehr in sehr entspannter Atmosphäre stattfinden konnte.
Bleiben Sie trotzdem dabei, dass Sie die Hoheit über die Kontrollen lieber aus der Hand der Bundespolizei übernehmen würden?
Schnalke: Absolut. Ich bin überzeugt, dass wir das besser könnten. Dann wäre die gesamte Prozesskette, die ein Passagier am Flughafen durchläuft, in einer Hand. Die Menschen, und das ist eine ganz wichtige Erkenntnis aus 2017, machen uns verantwortlich für den gesamten Flughafenprozess. Es ist überaus unangenehm und für mich überhaupt nicht befriedigend, immer wieder sagen zu müssen: Wir können doch gar nichts machen. Wir wollen für das, wofür wir verantwortlich gemacht werden, auch die Verantwortung übernehmen — das ist der Punkt. Und so funktioniert es in ganz Europa.
Haben Sie Hoffnung, dass der Bund da mitspielt?
Schnalke: Das ist eine Arbeit, die sehr viel Ausdauer erfordert. Ich komme gerade aus Berlin. Das Bundesinnenministerium hat dazu ein Eckpunktepapier erarbeitet, das unserer Forderung entspricht, worüber wir erst einmal sehr froh sind. Jetzt müssen wir in der Diskussion sehen, wie es umgesetzt werden kann, damit alle beteiligten Parteien damit leben können.
Man ist in Düsseldorf an jährliche Rekordmeldungen gewöhnt. Dieses Jahr waren die Fluggastzahlen in den Ferien knapp auf Vorjahresniveau. Ist das ein Indiz für das Gesamtjahresergebnis?
Schnalke: Ja. Grund ist die Insolvenz der Air Berlin vor einem Jahr, die ein Drittel Anteil unseres Verkehrs ausgemacht hat, 45 Prozent am Langstreckenverkehr. Die Interkont-Flotte ist sehr schnell am Boden geblieben. Das ersetzt man nicht mal eben. Wir können mit Stolz sagen, dass die gesamte Palette der Verbindungen Ende 2018 wieder zur Verfügung steht. Insbesondere durch den Aufbau des Angebots von Eurowings, aber auch durch Condor, Tuifly, Lauda Motion, Germania oder SunExpress. Viele kleine Airlines haben ebenfalls die Chance ergriffen. Für dieses Jahr haben wir ein Ergebnis auf Vorjahresniveau erwartet. Vermutlich liegen wir leicht darunter. Ab nächstem Jahr ist dann wieder Wachstum möglich. Der Bedarf ist da.
Verkehrsminister Wüst hat gerade noch einmal ziemlich deutlich gemacht, dass eine Entscheidung über die Kapazitätserweiterung aber wohl nicht vor 2022 fällt . . .
Schnalke: Erst einmal: Der Zeitpunkt, wann entschieden wird, wird allein vom Verkehrsministerium festgelegt. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass es früher klappt. Und zwar weil ich weiß, dass die Nachfrage höher ist. Wir brauchen dringend neue Kapazitäten. Und ich glaube sehr wohl, dass wir als Land NRW aufgerufen sind, am internationalen Luftverkehrswachstum teilzunehmen. Das können wir nur, wenn wir so zeitig, wie es irgend geht, eine Genehmigung für die zusätzlichen Kapazitäten am Flughafen Düsseldorf bekommen. Schade — aber ich finde wichtig, herauszustellen, dass eine sorgfältige Prüfung erfolgen muss. Das ist selbstverständlich für mich.
Der Minister beäugt die abendlichen Verspätungen sehr kritisch. Sie könnten ein Argument gegen noch mehr Slots sein.
Schnalke: Es geht ja nicht nur um mehr Slots, sondern auch darum, dass wir die Nordbahn, unsere zweite Start- und Landebahn, in den Hauptverkehrsstunden flexibler mitnutzen können. Bisher ist es so, dass wir eine Woche im Voraus anmelden müssen, wann eine Peak-Stunde ist. Wenn sich das mal verzögert, was ganz normal ist, müssen wir es trotzdem bei dieser Stunde belassen. Das flexibler zu gestalten, ist wichtiger Teil unseres Antrags und wir können so Verspätungen abbauen. Das haben wir mit einem Simulationsprogramm nachgewiesen, welches wir neben dem Echtverkehr haben mitlaufen lassen. Ich möchte noch einmal sagen, dass unser Antrag sehr detailliert auf unsere Anforderungen hier abzielt: Erhöhung der Kapazität in den Spitzenstunden am Tag, wo die Nachfrage am größten ist — nicht am Abend.
Nun liegen aber zwischen Ihren Vorstellungen und denen von Herrn Wüst mehrere Jahre. Können Sie das managen?
Schnalke: Ich kann nur sagen: Wir haben den Genehmigungsantrag gestellt, weil wir die Nachfrage schon haben. Wir müssen derzeit für jede Flugplanperiode nachgefragte Slots ablehnen. Im Wesentlichen in den Spitzenstunden. Das ist Anlass, immer wieder darauf hinzuweisen, dass es schön wäre, die Genehmigung zeitig zu bekommen. So schnell wie möglich. Aber ich kann es nicht beeinflussen, sondern nur das Ministerium unterstützen.
Können Sie beziffern, was Ihnen wirtschaftlich verlorengeht, weil die Entscheidung nicht kommt?
Schnalke: Nein, das kann man nicht beziffern. Und viel wichtiger ist die Frage: Wie viel internationale Anbindung geht NRW dadurch verloren, dass wir nicht am Wachstum teilhaben können?
Wie ist denn die Entwicklung insbesondere bei den Interkontinentalverbindungen?
Schnalke: Im Moment haben wir keine Möglichkeit, uns angemessen weiterzuentwickeln. Wir können nur im Bestand wachsen, mit den Airlines entwickeln, was wir heute schon haben. Wir haben mit dem Winterflugplan neun Flugzeuge der Interkontflotte von Eurowings hier — wir freuen uns sehr, dass der Ausbau so rasch geklappt hat. Aber dabei werden nicht so viele neue Ziele herumkommen. Ich finde es aber gut, dass es geklappt hat, in einer so kurzen Zeit eine solch große Interkont-Flotte hier aufzubauen. Das ist nicht selbstverständlich.
Schaut man sich die Airlines an, die die Air-Berlin-Lücke geschlossen haben, sind es oft Low-Cost-Carrier wie Eurowings, Ryanair und Germanwings. Ist das die Zukunft am Düsseldorfer Flughafen?
Schnalke: Das entspricht der Entwicklung in ganz Europa. Europaverkehr ist heute Low-Cost-Verkehr. Ryanair ist die größte Airline Europas. Dann kommen Eurowings, Easyjet. Da spiegelt sich in Düsseldorf der Markt wider.
Und mit der Lufthansa hat der große deutsche Anbieter fürs hochwertigere Reisen Düsseldorf den Rücken gekehrt . . .
Schnalke: Das ändert allerdings praktisch nichts am Angebot in Düsseldorf. Die Lufthansa löst ihre Station auf, hat dafür aber die Eurowings-Station um ein Vielfaches verstärkt. Und: Die Lufthansa fliegt weiter ab Düsseldorf in gewohnter Ausprägung, mit allen Verbindungen.
Wird es so schwieriger, die Geschäftsflieger hier zu halten?
Schnalke: Nein, alle Passagiere — egal ob Geschäftsflieger oder Urlaubsflieger — nehmen den Flug, der von Zeit und Preis am besten für sie passt. Zeit wird immer wichtiger — und da ist Düsseldorf perfekt angebunden. Da sehe ich kein Problem für die zukünftige Entwicklung.
Trotzdem klingt es, als sei die Vision vom Drehkreuz Düsseldorf gescheitert.
Schnalke: Es haben sich schon so viele Experten — auch selbst ernannte — an der Definition von Drehkreuzen versucht. Ich nehme davon lieber Abstand. Wir sind der wichtigste Flughafen Nordrhein-Westfalens — das ist der entscheidende Punkt. Wir haben die Aufgabe, NRW so gut wie möglich an das internationale Luftverkehrsnetz anzuschließen, so viele Verbindungen wie möglich in die Metropolen der Welt zu schaffen. Da gibt es noch eine Menge Luft, ganz klar. Aber um sie atmen zu können, brauchen wir auch die Möglichkeiten.
Was haben Sie gegen den Drehkreuz-Begriff?
Schnalke: Gar nichts. Ein Drehkreuz ist ja ein Umsteigerflughafen. Das haben wir mit dem Eurowings-Drehkreuz — aber nicht vergleichbar mit Frankfurt oder Heathrow. Vielleicht sind wir ein kleines Drehkreuz. Aber ich finde diese Diskussion um Überschriften mehr als überflüssig. Ich mache so lange lieber Luftverkehr.
Sie hatten aber auch angekündigt, weiße Flecken bei den Interkont-Verbindungen erschließen zu wollen. Ist das vom Tisch?
Schnalke: Ohne die Kapazitätserweiterung können wir uns nicht mit einer großen Airline hinsetzen und ernsthaft über einen nachfrageorientierten Aufbau ihrer Präsenz in Düsseldorf sprechen, wo wir keine Slots haben. Deshalb ist da kein neuer Leuchtturm in Sicht. Aber Bewegung gibt es — so fliegt Eurowings ab Ende Oktober viermal wöchentlich Bangkok an. Eine Destination, die uns sehr wichtig war.
Spüren Sie eigentlich — trotz steigender Passagierzahlen — eine wachsende Skepsis gegenüber dem Flugverkehr wegen der Emissionen? Und wie tragen Sie dem Rechnung?
Schnalke: Ich glaube, alle, die Verkehr managen, müssen sich darüber Gedanken machen. Dazu gehört auch die gesamte Industrie. Wir alle tragen eine Verantwortung für die Welt und die Menschen. Das tun wir auch im Luftverkehr. Wir ergreifen dazu eine Menge Maßnahmen, haben eine Selbstverpflichtung zur CO2-Reduktion. Das sind Themen, die in unserer Branche ganz oben auf der Agenda stehen. Aber wir müssen alle miteinander abwägen, was wir wollen: Wenn wir weiter flexibel sein und globalisiert leben wollen, müssen wir Verkehr generieren. Wir werden nicht daran vorbeikommen, mobil sein zu können.
Was ist das prägnanteste Vorhaben für 2019?
Schnalke: Sich gemeinsam mit dem Ministerium hinzusetzen und zu versuchen, möglicherweise doch noch schneller zu einer Entscheidung zu kommen.