NRW Firmen bemängeln Lieferkettengesetz
Düsseldor · Vor allem ein überbordendes Maß an Bürokratie befürchtet auch die IHK, ohne dass Arbeitsbedingungen wirklich verbessert würden. Was Unternehmen wie Teekanne und die Fortin Mühlenwerke sagen und heute schon tun.
Die Industrie- und Handelskammer Düsseldorf (IHK) sowie Unternehmen aus der Stadt haben am Mittwoch vor den Folgen von Lieferkettengesetzen gewarnt, die im Bund und auf europäischer Ebene vorbereitet werden. „Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht“, sagte IHK-Präsident Andreas Schmitz.
Auf ihrer Vollversammlung am Dienstag hatte die Kammer das Positionspapier „Unternehmerische Verantwortung für nachhaltige Lieferketten“ verabschiedet. „Die regionale Wirtschaft bekennt sich eindeutig zur unternehmerischen Verantwortung für menschenrechts- und umweltkonforme Lieferketten“, sagte Schmitz. Auch gegen ein Gesetz als solches gebe es keine Einwände, aber gegen Inhalte. Ein überbordendes Maß an Bürokratie sei zu befürchten.
Zu den Forderungen der IHK zählt zudem, dass Unternehmen nur für das zur Verantwortung gezogen werden sollten, was sie unmittelbar kontrollieren können. Kleine und mittlere Betriebe sollten nicht zu stark belastet und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Wirtschaft stärker berücksichtigt werden. Auch Gesetze und Kultur in einem Land zählten zu wenig.
Noch sind die Gesetze nicht beschlossen. In Deutschland soll es zunächst für Unternehmen mit mehr als 3000 später 1000 Mitarbeiter gelten, also einen sehr geringen Teil. Zudem sollen die Unternehmen nur für die direkten Zulieferer verantwortlich sein. Verhandelt wird noch die Frage nach der zivilrechtlichen Haftung. Auf EU-Ebene sind allerdings für alle genannten Punkte deutlich härtere gesetzliche Vorgaben in Vorbereitung.
Bei einigen Unternehmen kommt das gar nicht gut an. Teekanne-Chef Frank Schübel sagt, dass die Gesetzesvorlagen „nicht nur sein Unternehmen, sondern ihn persönlich sehr getroffen“ hätten. Schübel führte bei der digitalen Pressekonferenz der IHK aus, wie Teekanne mit weltweit rund 1300 Mitarbeitern seinen Sorgfaltspflichten nachkomme. Eine Million Euro investiere das Unternehmen jährlich neben marktgerechten Preisen, um die gleichen Ziele zu erreichen, die eigentlich mit dem Lieferkettengesetz verbunden werden. Schübel verweist auf Zertifizierungen der Lieferbeziehungen (Sedex) und für die Rohwaren (Rainforest Alliance Standard), wo man aktuell bei 62 Prozent liege und bis 2024 bei 100 Prozent sein wolle. Nun fürchtet Schübel allerdings, dass der Aufwand für Nachweise auch in der letzten kritischen Nische der Kette so groß werden, dass dafür Ressourcen und Investitionen nötig werden, die nicht mehr für bessere Lieferketten verwendet werden. Zudem sei der Trend zur Nachhaltigkeit so stark, dass Unternehmen auf der Strecke blieben, die da nicht mitmachten.
Nachteile im europäischen Vergleich befürchtet
Auch Robert Lamers, Geschäftsführer der Fortin Mühlenwerke, bezeichnet die Sorgfalt als „Selbstverständlichkeit“. Die Kunden verlangten Zertifizierungen dafür, das koste bereits viel Arbeitszeit. Bei der nun drohenden Nachweispflicht fürchte er, dass sie übers Ziel hinaus schieße, wenn es beispielsweise sogar ein Thema werden könnte, wenn bei einem Bauern in Finnland bei der Ernte die Kinder helfen.
André Tünkers, Geschäftsführer von Tünkers Maschinenbau, sieht zudem Wettbewerbsnachteile im Vergleich zu außereuropäischen Konkurrenten. Vor allem ein Problem sei zentral für sein Geschäft mit der Herstellung von Anlagen für automatisierten Serienbau wie in der Autoindustrie: die Komplexität der Geschäftsbeziehungen mit 900 Lieferanten aus 24 Ländern. Und die Lieferketten veränderten sich aufgrund des herrschenden Preisdrucks sehr schnell. Durch die Vermischung der Rohmaterialien sei die Nachverfolgung zu allen Produzenten schwer. Schon heute sei es sehr aufwändig, die Einhaltung der international geltenden Vorgaben nachzuweisen.Wie kompliziert es sein kann, Lieferketten nachzuverfolgen, weiß Lukas Pünder, Mitgründer und CEO der Retraced Gmbh, die Unternehmen hilft, Lieferketten besser zu durchblicken und Standards zu verbessern. „Für ein Garn können rund 1000 Kleinbauern zugeliefert haben.“
Alle Beteiligten zu erfassen, sei mit hohem Aufwand verbunden, bevor überhaupt an der Lieferkette selbst gearbeitet werden könnte. Er erwarte von einem Gesetz eher Hilfestellungen bei der Umsetzung und nicht wie jetzt mehr Druck. „Der wird nur wieder nach unten weitergegeben, etwa über geforderte Zertifikate, hinter denen man sich auch verstecken kann. Dabei soll es darum gehen, die Produktionsstandards wirklich zu verbessern.“
Da sieht Pünder gerade in der Modeindustrie großen Handlungsbedarf. Den hatte übrigens auch ein Monitoring der Bundesregierung für die gesamte Wirtschaft deutlich gemacht, wonach im vergangenen Jahr die große Mehrheit der untersuchten Unternehmen die Zielwerte bei der Sorgfaltspflicht nicht erfüllten.
In Bezug auf die bestehenden Gesetzesvorlagen gehe es laut Pünder deshalb nicht darum, ob neue Regeln nötig sind, sondern welche.