Düsseldorf Düsseldorfs „Mutter Courage“ zieht sich als Friedensaktivistin zurück
Besonders für Kinder hat sich Barbara Gladysch vehement eingesetzt. Doch die Ärzte haben ihr nun zum Rückzug geraten.
Düsseldorf. Ehrlichkeit, das war Barbara Gladysch immer das Wichtigste. Und im Laufe der Zeit hat sie schnell an Mimik und Gestik erkannt, wer die Wahrheit sagt und wer nicht. „Ich habe gelernt, die Spreu vom Weizen zu trennen“, sagt die überzeugte Friedensaktivistin und engagierte Menschenrechtlerin, die in ihrem Leben so vielen Menschen geholfen hat. Doch in wenigen Tagen, am 25. Oktober, wird sie 76 Jahre alt — und die Ärzte haben ihr nahe gelegt, an ihre eigene Gesundheit zu denken und sich zur Ruhe zu setzten. Und obwohl es ihr schwer fällt, auf andere Menschen zu hören, hat sie den Rat der Ärzte angenommen und ihren Rückzug als Friedenskämpferin vollzogen.
Vom Sternzeichen ist sie Skorpion. Und wie beschreibt sie die Charaktereigenschaften dieses Sternzeichens? „Der Skorpion pikst gerne, lässt sich nur ganz schlecht einfangen und ist sehr eigenwillig.“ Deswegen möchte sie auch nicht in ein Altersheim. „Die würden da sowieso nicht mit mir klar kommen“, sagt sie.
Unterordnen, das konnte sie sich noch nie. Das hat sie schon mit zwölf Jahren erkannt. Denn wie die damalige Eltern-Generation mit Kindern umgegangen ist, hat sie nie verstanden. „Man durfte nichts in Frage stellen und musste gehorchen. Und in dieser Zeit habe ich mir geschworen: Das machst du anders, wenn du groß bist.“
Erst studierte sie Jura und sattelte dann um auf Sonderschullehrerin für erziehungsschwierige Kinder, wie das damals im Fachjargon hieß. „Mit viel Geduld, Liebe und Zähigkeit kam man an die Kinder heran. Oft dauerte es drei bis vier Jahre, bis sich die ersten Erfolge einstellten.“
Lange Zeit hat sie sich für Kinder aus Tschernobyl engagiert, um ihnen nach der Reaktorkatastrophe von 1986 einen Erholungsaufenthalt in Deutschland zu ermöglichen.
Besonders am Herzen lagen ihr aber die Kinder von Tschetschenien. Über viele Jahre hinweg wurde die kleine Republik von grausamen Kriegen erschüttert. Um den traumatisierten Kindern und Familien zu helfen, gründete Barbara Gladysch 1997 das Hilfsprojekt „Kleiner Stern“ und richtete mit Spendengeldern Therapiezentren in Tschetschenien ein. „Da ging es früher zu wie heute in Syrien. Die Bomben sind links und rechts eingeschlagen. Da habe ich mit dem lieben Gott gesprochen. Ich habe zu ihm gesagt: Wenn du möchtest, dass ich hier weiter helfe, dann lass’ mich am Leben. Das war Gegenstand der Verhandlungen.“
Dass die Gefahren überall lauern, hat sie dann schmerzlicherweise erfahren müssen, als sie wieder nach Düsseldorf zurückgeflogen ist. „Das war der Tag, als der Flughafen in Düsseldorf gebrannt hat und so viele Menschen gestorben sind. Eigentlich habe ich ja gedacht, nun endlich in Sicherheit zu sein“, erinnert sich Gladysch.
Auszeichnungen hat die couragierte Frau jede Menge bekommen. Neben dem Bundesverdienstkreuz hat sie 1997 auch den Jan-Wellem-Ring der Stadt Düsseldorf bekommen. Den hat sie dann aber aus Protest an den damaligen OB Joachim Erwin zurückgegeben. Damit protestierte sie gegen die „Tibet-Politik“ Erwins: „Das Fass zum Überlaufen brachte die Weigerung, am internationalen Aktionstag für Tibet die Tibet-Flagge als Zeichen der Solidarität am Rathaus zu hissen“, sagte sie damals. Durch dieses Verhalten sei der Ring bedeutungslos für sie geworden.
Man könnte sagen, mit Auszeichnungen kennt sie sich aus. Denn davon hat sie noich viel mehr: Neben Jan-Wellem-Ring (1997) und Bundesverdienstkreuz (1998) auch den Sean Mac Bride-Friedenspreis (1999), den Rheinlandtaler (2003), den Düsseldorfer Friedenspreis (2005) und den Bremer Friedenspreis (2005). Auch für den Friedens-Nobelpreis war Gladysch nominiert. „Aber die ganzen Auszeichnungen waren mir immer egal. Zum Schluss habe ich gesagt, dass ich nur noch Auszeichnungen annehme, bei denen es auch Geld gibt, denn nur damit kann ich auch wirklich helfen.“