Porträt Eine Ehe über religiöse Grenzen hinweg: Das Beispiel der Herzogs
Düsseldorf · Ein muslimisch-christliches Paar setzt mit seiner Geschichte ein Zeichen gegen die sich verschärfende Abgrenzung der Religionen.
Seit gut 13 Jahren sind Nesrin und Axel Herzog verheiratet. Dass ihre Ehe etwas nicht Alltägliches ist, war beiden vom ersten Tag an klar. Sie eine gläubige Muslima. Er gläubiger Protestant. Doch jetzt spüren sie von Jahr zu Jahr mehr, wie besonders sie sind. Nicht, dass die Wirtschaftswissenschaftlerin und der Neurochirurg sich selbst als Vorzeigepaar sähen oder gar gerierten. Tatsächlich aber sind sie es – weil sich leider das interreligiöse Klima so verschlechtert hat. Weil Toleranz, gegenseitiger Respekt zwischen den Kulturen und Religionen nicht zu- sondern abnehmen. „Ja, ich wollte ein Beispiel geben, wie es auch sein kann“, sagt Nesrin Herzog.
Also erzählt das Paar seine Geschichte. Öffentlich. Das erste Mal vor einigen Wochen in einem Gottesdienst in der Kaiserswerther Mutterhauskirche. „Ich wollte mich eigentlich nicht so hervortun“, sagt Axel Herzog, „aber Pfarrer Sebastian Heimann hat mich überredet.“ Dann erzählen sie, wie sie sich 2002 (in einem Duisburger Restaurant) kennenlernen, wie schwierig es zunächst ist, die Beziehung ihrer Familien zu eröffnen. Beichten wäre das richtige Wort. Sie braucht lange, um ihrer Mutter vom deutschen Protestanten zu erzählen, die soll es dann dem Vater weitererzählen. Es gibt große Bedenken bei ihren Eltern. „Aber ich habe zum Glück im Koran die richtige Stelle gefunden, die unsere Ehe erlaubt“, sagt Nesrin Herzog. Bei ihm ist es einfacher, auch wenn keiner erwartet hat, dass der Sohn eine muslimische Türkin liebt und heiraten will. Aber begeistert ist niemand.
Doch das Paar lässt sich nicht beirren. Und es möchte nicht nur standesamtlich, sondern auch religiös getraut werden. „Wir wollten Gottes Segen“, sagt Nesrin Herzog.Und zwar ohne, dass einer von beiden seinen Glauben aufgeben und konvertieren muss. Durch Freunde hören sie von einem Iman, der als aufgeschlossen gilt. 2005 besuchen sie den Iman, „ich habe mich sehr intensiv auf ein regelrechtes Verhör vorbereitet“, sagt Axel. Aber der Iman hat nur zwei Fragen: Sind Sie ein gläubiger Christ? Respektieren Sie den Glauben ihrer Frau? Als er beides bejaht, ist alles gut. In Düsseldorf stößt das Paar dann auf Pfarrer Dirk Holthaus, der gleich Feuer und Flamme ist. Gemeinsam trauen die beiden Geistlichen die Eheleute in der Neanderkirche in der Altstadt – und beide Familien feiern mit.
In den Jahren danach ziehen sie in den Düsseldorfer Norden, zwei Kinder kommen auf die Welt: Alexander Kaan (12) und Viktoria Nil (10). Beide sind weder Christ noch Moslem. Sie sollen selbst entscheiden, wann sie so weit sind und wann sie das wollen“, sagt ihr Vater. Die Eltern haben ihnen immer viel über beide Religionen erzählt und sie teilhaben lassen, auch wenn die Familie natürlich öfter in eine Kirche als in die Moschee geht. Auch haben Axel und Nesrin das Interesse am Glauben des Partners nie verloren, im Gegenteil: „Ich habe unheimlich viel gelernt bei der Beschäftigung mit dem Christentum und dem Islam“, sagt Nesrin Herzog. Was zum Beispiel? „Zum Beispiel, dass nur Gott entscheiden kann, was richtig und was falsch ist. Deshalb käme ich nie auf die Idee, einen Andersgläubigen herabzuwürdigen.“
Axel wusste um Unterschiede und Gemeinsamkeiten der monotheistischen Religionen Islam und Christentum: „Dass es aber der gleiche Gott ist, dass viele Figuren in der Bibel und im Koran vorkommen, Abraham, Moses oder David, das war mir nicht so klar.“
Auch im Alltag ist ihr unterschiedlicher Glaube präsent, wenn auch keineswegs allgegenwärtig. Auf Schweinefleisch etwa verzichtet nicht nur die Mutter, sondern die ganze Familie. Wie feiert die Familie jetzt Weihnachten? Nesrin Herzog freut sich besonders, dass ihre Mutter und ihr Bruder zum ersten Mal mit ihnen gemeinsam in eine Christvesper gehen. Fragt man das Ehepaar nach seinem größten Wunsch, dann nennen sie die bessere Verständigung zwischen den Religionen, Völkern und Kulturen. „Das hat viel mit Interesse am anderen zu tun, mit Wissen“, sagt Axel Herzog, „und daraus folgend mit Höflichkeit und Respekt im Umgang miteinander.“ Auch oder gerade weil das alles derzeit nicht so angesagt sei. Bei fundamentalistischen Moslems nicht, aber auch in den christlichen Kirchen wird der Ruf nach schärferer Profilierung (und das meint häufig: nach schärferer Abgrenzung) eher lauter als leiser.
Axel und Nesrin Herzog zeigen, dass man es besser machen kann.