Ehrung bringt Campino aus der Fassung
Die Jüdische Gemeinde zeichnete die Toten Hosen und Thomas Leander von der Musikhochschule aus. Dann wurde gefeiert.
Düsseldorf. Wenn es der Anlass erlauben würde, könnte man sagen, in der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf sind alle Anwesenden aus dem Häuschen. Vorstand, Gemeindemitglieder, Hochschullehrer, Punkrocker. Jedoch ist die Verleihung der Josef-Neuberger-Medaille eine ehrenhafte Angelegenheit, und deswegen spricht man auch mit Blick auf den vergangenen, ungewöhnlich bewegenden Mittwoch lieber von einem denkwürdigen Festakt.
Die Jüdische Gemeinde Düsseldorf zeichnet an diesem Abend die Toten Hosen und Thomas Leander, Prorektor der Robert-Schumann-Musikhochschule, für ihre Verdienste um das jüdische Leben in Deutschland aus. Anlass waren drei Konzerte der Geehrten in der Tonhalle, wo sie Werke von Künstlern spielten, die von den Nazis verfolgt worden waren.
„Diese drei grandiosen Konzerte gehören zu den absoluten Höhepunkten des kulturellen Lebens in der Stadt Düsseldorf im Jahr 2013“, sagte Oded Horowitz, Vorstandsvorsitzender der Gemeinde, in seiner Begrüßungsrede.
Leander hatte die Idee zu der kleinen Konzertreihe und dachte sogleich an die Toten Hosen, die sich in ihrer Karriere immer klar gesellschaftspolitisch positioniert haben. Heute nicht mehr ganz so stürmisch wie damals, weswegen manche lästern, den Musikern sei die Echtheit ihrer Bekundungen auf dem Weg nach oben abhandengekommen. Die Linie der Band jedoch steht, und sie wird öffentlich kundgetan: gegen Rechtsextremismus, gegen Fremdenfeindlichkeit und pro Asyl.
Von dem Grimme-Preisträger Eric Friedler, der 2012 den Film „Nichts als die Wahrheit“ über die Toten Hosen drehte und am Mittwochabend die Laudatio hält, gibt es dafür die wohl größte Anerkennung: „Im Jüdischen lautet eine hohe Auszeichnung ,du bist ein Mensch’. Ja liebe Hosen, ihr seid Menschen.“
Friedler, dessen Eltern „nach der Shoa möglichst weit weg nach Australien gingen“, erzählt eindrucksvoll davon, was Willy Brandts Demutsbezeugung im Dezember 1970 bei seinem Vater auslöste. Brandt ging damals im ehemaligen Warschauer Ghetto auf die Knie. „Mein Vater sagte: Wenn es Deutsche gibt, die so etwas machen, dann will ich auch wieder Deutscher werden.“ Zwei Tage später habe er die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt.
Ein Entschluss, zu welchem sich der Sohn bislang nicht durchringen konnte. „Aber“, sagt er am Mittwochabend, „ich denke, dass ich es jetzt kann.“ Weil es Persönlichkeiten wie die Toten Hosen gebe, die sich für ihre Mitmenschen starkmachten. „Wenn man in Deutschland anders ist, kann man sehr einsam sein. Und wenn Einsamkeit das Einzige ist, was einem bleibt, dann ist es gut zu wissen, dass es Freunde gibt.“
Campino ringt nach dieser eindrucksvollen Rede sichtlich um Fassung. „Wir haben versucht ganz cool zu bleiben“, sagt er später. „Solche Worte hat noch nie jemand für uns gefunden. Wir fühlen uns geehrt und werden diesen Abend nie vergessen.“
Die rund 500 Gäste erleben zum Abschluss der festlichen Verleihung in der Synagoge ein Privatkonzert der Toten Hosen und Studenten der Düsseldorfer Musikhochschule. Sie spielen „Deutsches Miserere“ von Bertolt Brecht, „Im Nebel“ von Hermann Hesse und „Europa“ von den Toten Hosen und werden von den Besuchern begeistert gefeiert.