Ein Geschäft als persönliches Wunderland
Einhörner, fliegende Schweine und tanzende Bären: Karin van Noort hat sich in der Düsseldorfer Altstadt ihr Paradies erschaffen. Wir besuchten ihren Laden an der Flinger Straße — der eher einem Zauberschloss gleicht.
Düsseldorf. Die Morgen in Düsseldorf riechen nach warmem Parisienne. Wenn nicht viel los ist, die Stadt noch etwas verschlafen daher kommt, zieht sich Karin van Noort (75) ein übergroßes Herrenhemd an und läuft zu ihrem Lieblingsbäcker Hinkel. Dort kauft sie ihr heiß geliebtes Parisienne, geht nach Hause und macht sich Frühstück. Sie zelebriert das für sich und für ihre Siamkatzen Püppi und Dior. Es ist ihr Ritual, bevor sie in ihren Laden an der Flinger Straße 9 geht.
Wer ihn betritt, der fühlt sich wie der Gast in einem verwunschenen Schloss mit seiner zauberhaften Prinzessin: der Stylistin Karin van Noort. Wenn es Märchen gibt, dann beginnen sie genau hier und fangen alle mit „Es war einmal“ an. In der Boutique „Galerie Pearls“ gibt es alles, vom Deko-Tier bis zum Vintagekleid. Hauptsache, es ist schön.
Ein großes, weißes Einhorn steht vor dem Eingang. Im Inneren von Karin van Noorts Zauberreich tummeln sich Schweine, deren Flügel mit Swarovski-Steinen besetzt. Sie stehen neben einem Bären, der als Clown kostümiert eine glänzende Hutnadel als Zepter in den Pfoten hält. Rosa Ballettschuhe hängen vor weißen Spitzenkleidern, ein altes Schaukelpferd wartet auf neue Reiter, alte Koffer erzählen von vergangenen Reisen.
Die Liebe zu schönen Dingen und Mode bekommt die gebürtige Solingerin in die Wiege gelegt. Ihre Mutter, eine Schneiderin, näht und bestickt zu Kriegszeiten aus alten Vorhängen gesmokte Kleidchen für ihre Töchter Karin und Gisela. Schon damals, im alten Fachwerkhaus, tanzt die kleine Karin vor dem Spiegel und liebt es, sich schön zu machen und anders zu sein. Die Welt ist bunt für sie, nicht grau. Und sie, sie ist die Prinzessin. Das wird sich durch ihr ganzes Leben ziehen.
In einer Düsseldorfer Werbeagentur fängt sie als Grafikerin an, wird aber vom Creative Director schnell als Stylistin entdeckt und eingespannt. Kapstadt, Santa Fe, die Seychellen, Neuseeland, Australien: Überall ist Karin van Noort als Stylistin gewesen. 40 Jahre lang reist sie um die Welt, ist mal hier, mal dort. All das hat aber auch seinen Preis. Nie ist sie zu Hause, nicht dabei bei familiären Festen. Das Privatleben bleibt dabei auf der Strecke. Dann, als sie mit Mitte 60 an der Schulter operiert wird, beschließt sie auf das Drängen ihrer Freunde hin, ein Geschäft zu eröffnen. Arbeiten will sie, und das bis zu ihrem letzten Atemzug, sie ist dafür geboren, sagt sie. „Mensch, Karin, verkauf doch deine Sachen, haben sie mir gesagt“, erinnert sich van Noort und ihre blauen Augen glänzen dabei.
An den Wochenenden steigt Karin van Noort nachts in ihr Auto und fährt zu Flohmärkten in Frankreich, Belgien und Holland. Die Schätze, die sie mitbringt, seien es alte Schränke, Kandelaber, Tische oder auch Broschen, bearbeitet sie immer selbst.
Vor ihrem Geschäft restauriert, bemalt und verschönert sie alles stundenlang. Zu tun gibt es für sie immer etwas. Und eigentlich ist es auch keine Arbeit, es ist Leidenschaft.
Sie sitzt an ihrem Schreibtisch, trägt ein weißes Spitzenkleid, einen schwarzen Mühlsteinkragen mit Chanelbrosche und dazu passende schwarze Lack-Birkenstocks. „Normal ist mein Leben wirklich nicht“, fügt sie hinzu und lacht.
Eine Kundin kommt herein, bleibt stehen und staunt erstmal. So ergeht es allen in diesem Wunderland mit seiner ganz eigenen Alice. Sie ist einem vertraut, obwohl man sie eben das allererste Mal gesehen und kennengelernt hat. Am Ende kauft die Kundin nicht nur Ohrringe, sondern bekommt auch noch eine Farbberatung von Karin van Noort. Dunkles, englisches Grün sei sehr vorteilhaft zu ihrem roten Haar. Strahlend verlässt eine glückliche Frau das Geschäft.
Manchmal fragt man sich, woher Karin van Noort all diese Energie nimmt. Sie scheint schier unerschöpflich. Die Antwort ist für die selbst ernannte Prinzessin ganz einfach. Sie liebt die Dinge, die sie tut und macht alles voller Inbrunst. Auch den morgendlichen Spaziergang im Herrenhemd zu Hinkel, wo alles so gut nach dem warmen Parisienne duftet.