Ein Talsperrenmeister bei der Arbeit
Die Bever-Talsperre schützt das umliegende Gebiet vor Hochwasser. Wir besuchen mit Helmut Selbach das Innere der 520 Meter langen Staumauer.
Wuppertal. Jeden Morgen werden die Messdaten geprüft. „Damals, als es das große Erdbeben in Japan gab, den Tsunami auf Fukushima, konnten wir das hier zeitverzögert auslesen“, erklärt Helmut Selbach mit Blick auf den Bildschirm. Wenn die Büroarbeit getan ist, zieht es den 57-Jährigen nach draußen, am besten so schnell wie möglich. Wasser und viel Grün — das ist sein Arbeitsplatz, die Welt, in der er sich wohlfühlt. Helmut Selbach arbeitet beim Wupperverband als Talsperrenmeister.
„Es ist ein Traumjob“, sagt er mit Blick über die Bever-Talsperre, die Talsperre, an der der gelernte Maurer 1982 beim Wupperverband angefangen hat. Vor 80 Jahren wurde die Bever-Talsperre in Betrieb genommen. Das alte Mädchen verfügt über einen Stauraum von 23,7 Millionen Kubikmetern Wasser — das sind in etwa 132 Millionen Badewannen voll. Sie schützt das umliegende Gebiet vor Hochwasser. Selbachs Job ist es, zu beaufsichtigen, dass dabei nichts schief geht. Mit dem Auto geht es heute vom Büro aus die Talsperre entlang.
Regen und Sonnenschein: Hier, in der Natur, kann man die Auswirkungen des Wetters hautnah erleben. In den vergangenen Tagen war das Wetter schön, die Bever warm. Sie ist ein beliebtes Ausflugsziel. Aus Köln, Düsseldorf, Remscheid, Solingen und anderen Orten kommen die Menschen zur Talsperre im Oberbergischen Kreis, die an Hückeswagen, Radevormwald und Wipperfürth grenzt. Es gibt Campingplätze, man kann bei schönem Wetter schwimmen, segeln und tauchen, man kann es sich in der Bikerkneipe „Zornige Ameise“ bequem machen — oder im Regen einen Pfützenspaziergang am Ufer machen.
„Die Wasserqualität ist super“, sagt Selbach. Deshalb gilt die Bever als Badegewässer. Das macht den Talsperrenmeister stolz. Es bedeutet aber auch zusätzliche Arbeit. Da werden Bierflaschen stehen gelassen, die der Talsperrenmeister und die Mitarbeiter wieder einsammeln müssen. Da sind die wilden Grillplätze, die verbrannte Erde hinterlassen und den Talsperrenmeister ärgern. Da ist der ganze Müll.
Damit die Bever-Talsperre ein attraktives Ausflugsziel bleibt, arbeitet der Wupperverband mit den drei umliegenden Städten zusammen. Das Ordnungsamt patrouilliert regelmäßig, zusammen mit Schulen werden Putzaktionen organisiert. Der Müll an der Talsperre, die Überprüfung der Messdaten auf dem Computerbildschirm — das ist nur ein Teil der Arbeit, die Selbach macht. Der Teil an der Oberfläche. Heute geht es aber ins verborgene.
Einmal die Woche steigt Selbach die Stufen zum Rückgrat der Talsperre hinab, dem wichtigen Teil, ohne den es die Bever nicht gäbe: Die 520 Meter lange und 41,5 Meter hohe Staumauer.
Selbach holt ein Funktelefon aus einem Kasten. „Da drin gibt es keinen Handyempfang“, erklärt er. Dann geht es durch eine Tür in die Staumauer — und die erste Treppe hinunter. Im Inneren plätschert es, ein Kompressor brummt und es ist deutlich kälter als außen. „So um die acht Grad“, sagt Selbach, der sich in den festen Arbeitsschuhen sicher die Stufen herunterbewegt. Er kennt seine Bever.
Wer muffigen Geruch erwartet, wird enttäuscht. Trotzdem: Besonders, wenn es wärmer ist, ist die Luft wassergeschwängert, es bildet sich Nebel, am Geländer setzen sich Kondenstropfen ab. „Das heißt nicht, dass die Mauer nicht dicht ist“, betont Selbach.
Die Mengen an Sickerwasser sind gering und gehören dazu — das ist zum Beispiel Regenwasser, das es um die Mauer herumschafft und dann in den Wasserrohren landet. Die knapp zwei Meter dicken Betonwände sorgen dafür, dass keine Wasserflut über das Bergische rollt. Damit das so bleibt, wird nicht nur auf digitale Messtechnik vertraut. Selbach hat innerhalb des Staudamms ein ganzes Arsenal an Plastikmessbechern verteilt. Zielsicher greift er nun nach den Bechern, hält sie unter Rohre, blickt auf die Stoppuhr und macht sich Notizen. Sein Fazit? „Die Menge an Wasser ist gesunken. Das ist ein gutes Zeichen, denn es hat nicht geregnet. Wäre es anders, würde das bedeuten, dass etwas nicht in Ordnung ist“, erklärt er.
Was Selbach hier an der Bever macht, macht er auch an den anderen Talsperren. Als Talsperrenmeister ist er für die Bever-Talsperre, die Neye, die Schevelinger Talsperre und den Mühlenteich Wasserfuhr zuständig. Unter der Erde sind die Sperren miteinander verbunden. Das Wasser kann von den kleineren Talsperren zur Bever-Talsperre geleitet werden. Der Beverblock hat ein Einzugsgebiet von insgesamt 46,4 Quadratkilometern — das sind 63 104 Fußballfelder.
Das Wasser wird zurückgekippt. Aber noch ist nicht alles kontrolliert. Es geht tiefer hinab — 40 schmale Stufen einer Wendeltreppe führen bis zum Boden der Talsperre. Es wird noch kälter, das Wasser plätschert, der Boden ist trocken.
„Nach Kyrill stand hier alles einen Meter unter Wasser“, erinnert sich der Talsperrenmeister. Durch einen Stromausfall konnte kein Wasser abgepumpt werden. Das soll nicht wieder passieren: Der Wupperverband hat einen Generator für den Notfall angeschafft. Seitdem klappt alles. Auch heute.
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