Schließung nach 121 Jahren Endgültig: Vallourec macht in Reisholz dicht, 300 Jobs fallen weg

Düsseldorf · Durch das Aus von Vallourec in Düsseldorf-Reisholz verschwinden 300 Arbeitsplätze. Der Betriebsrat wirft dem Management Versagen vor – und hat Angst auch um die verbleibenden Standorte.

Mehr als 1000 Vallourec-Arbeiter demonstrierten am Freitagmorgen an der Theodorstraße gegen die Schließung des Werkes Reisholz.

Foto: IG Metall

Am Freitagmorgen war bei der Protestkundgebung an der Theodorstraße unter den etwa 1500 Vallourec-Mitarbeitern neben Wut, Trauer und Angst auch noch ein Fünkchen Resthoffnung zu spüren. Doch am Mittag war auch das perdu. Denn da hatte der Aufsichtsrat die vor einer Woche von Vallourec-Geschäftsführer Dirk Bissel angekündigte Schließung des Produktionsstandortes an der Henkelstraße in Reisholz abgesegnet.  Im Juni endet die Röhren-Produktion, im September schließt der seit 121 Jahren existierende und lange von Mannesmann betriebene Standort. 300 Arbeitsplätze gehen verloren. Und viel industriell-technisches Know how.

Immerhin verspricht das französische Unternehmen, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Abfindungen, Altersregelungen und Wechsel zu den verbleibenden Standorten Rath und Mülheim sind laut  Bissel Möglichkeiten: „Wir werden für jeden Einzelnen nach der bestmöglichen Lösung suchen.“

Vallourec hatte schon länger Probleme

Die Probleme bei Vallourec bestehen schon länger, spätestens als 2018 die Aufträge im Röhrengeschäft zurückgingen und sich die Lage dann 2019 durch den Einbruch auf dem wichtigsten Absatzmarkt  China – aufgrund drastischer Strafzölle und Marktzugangsbarrieren – zuspitzte. Vor einem Jahr wurde das Werk in Reisholz zum Verkauf angeboten, doch letztlich fand sich kein Käufer.  Die Unternehmensleitung sah daraufhin keine Chance mehr auf „eine nachhaltige wirtschaftliche Auslastung“ des Werkes  – was den Betriebsrat und die IG Metall in Wallung bringt.

Die Arbeitnehmervertreter werfen dem Management schlicht mangelnden Unternehmergeist vor: „Wir haben mit Experten ein tragfähiges Sanierungs- und Zukunftskonzept erarbeitet“, sagt Ayhan Üstün, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende bei Vallourec. Dabei habe man sogar eine weitere Halbierung der Arbeitsplätze und Lohnverzicht angeboten. Doch die Unternehmensleitung habe sich viel  zu lange einseitig auf den Bau von Kesselrohren im Energiesektor verlassen, insbesondere für Kohlekraftwerke in China.

Sorge um die anderen Werke

Üstün: „Als das wegbrach, gab es keinen Plan B.“ Dabei habe man auch in Reisholz lange gewinnbringende Produktionen gefahren, aber aufgegeben, obwohl sie auch und gerade in Zukunft Marktchancen besäßen, sagt Wolfgang Freitag vom Betriebsrat im Rather Werk: Zylinder für Minen zum Beispiel, Druckbehälter für U-Boote, ja sogar Kupferbehälter zur Lagerung radioaktiver Abfälle. „Bei uns aber setzt man alles aufs Öl- und Gasgeschäft, da muss man kein Hellseher sein, dass dies rückläufig ist.“

Entsprechend groß ist die Sorge auch bei Karsten Kaus, Geschäftsführer der IG Metall Düsseldorf-Neuss, dass die Werke in Rath und in Mülheim keineswegs so unangetastet bleiben, wie es das Unternehmen jetzt noch versichert: „Wenn Vallourec nicht schnell innovativer wird und neue Produkte entwickelt, ist die nächste Krise absehbar.“

Im Betriebsrat mangelt es da nicht an Ideen. „Wir können auch Brücken aus Stahlrohren bauen, etwa die Rheinquerung der U81, denn die sind länger haltbar als Stahlbeton“, sagt Wolfgang Freitag. Statt neuer Produkte muss der Betriebsrat jetzt aber einen Sozialplan für die Belegschaft entwickeln. Dabei ist man freilich zu keinerlei Verzicht mehr bereits. „Jetzt wird es teuer für das Unternehmen“, sagt Ayhan Üstün