Ausstellung Fotoprojekt dokumentiert Kampf gegen Brustkrebs
Düsseldorf · Die Aktion der Fotografin Iris Edinger soll Betroffenen Mut machen. Die Bilderserie und die dazugehörigen Interviews mit den Protagonisten der Ausstellung werden erstmals im März im Rahmen der „Photo+“ zu sehen sein.
„Fuck it – I‘m alive!“ – so lautet der Titel eines außergewöhnlichen Foto-Projekts, das sich einem Thema stellt, das in Deutschland derzeit rund 69 000 Menschen betrifft: Brustkrebs. Iris Edinger und ihr Team holten dafür vier Frauen und einen Mann vor die Kamera, um ein Tabu aufzubrechen. Die Bilderserie und die dazugehörigen Interviews mit den Protagonisten der Ausstellung, die erstmals vom 13. bis 15. März im Rahmen der „Photo+“ zu sehen sein wird, zeigt Menschen, die aus der sprachlosen Masse heraustreten. Sie haben dem Krebs die Stirn geboten und sie stehen zu den Narben, die er an Körper und Seele hinterlassen hat. Die Fotos strahlen die innere Stärke aus, die jeder für sich dabei gewonnen hat.
So wie Marjorieth Sanmartin. Aufgeben war für die Düsseldorferin keine Option. Mit ihrem zweiten Kind schwanger, bekam sie Ende 2017 die Diagnose Brustkrebs. Im Januar 2018 kam ihre kleine Tochter zur Welt. Gleich danach begann Marjorieth Sanmartin ihre Therapie. „Ich bin zwar immer offen damit umgegangen, aber natürlich gab es auch die Tage, an denen ich mich fürchterlich fühlte“, erinnert sich die inzwischen 42-jährige an diese Zeit. „Mir fielen die Haare aus, büschelweise und ungleichmäßig. Überall waren kahle Stellen“. Heute trägt die zweifache Mutter eine Kurzhaarfrisur. Vor zwei Jahren griff sie zunächst zu Kopftüchern und dann zur Perücke. „Ich wurde mit diesen Dingern nicht so richtig warm“, meint sie rückblickend. Der Verkäufer riet ihr, ein Selfie zu machen. „Kaum zu glauben, aber das veränderte die Perspektive. Man nimmt sich so wahr, wie die anderen einen sehen und nicht, wie man sich selbst im Spiegel sieht“, stellt die Werbefachfrau immer noch staunend fest. Trotz positiver Rückmeldungen von Ehemann und Familie trug Marjorieth Sanmartin die Perücke nur für eine Weile. „Sobald meine Haare nach der Chemo nachwuchsen, zeigte ich mich wieder mit meinen eigenen Haaren“. Durch ihre Arbeit kannte sie Iris Edinger schon einige Jahre. Die Beraterin für digitale Werbung ist auch Fotografin. Recht bald waren sich die Frauen einig, Krebs allgemein und Brustkrebs im Besonderen sind Themen, die in der Öffentlichkeit immer mit einer gewissen Scham wahrgenommen werden. „Wenn man mit den Leuten ins Gespräch kommt, wird schnell deutlich, wie viele von ihnen in der Familie, im Freundes- oder Kollegenkreis mit Krebs zu tun haben“, meint Iris Edinger. Trotzdem oder gerade deshalb wollen viele damit nicht konfrontiert werden.
An Krebs Erkrankte sollen ihre Geschichten erzählen
„Sei es, dass sie nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen, nicht genug darüber informiert sind oder es einfach verdrängen“, zählt Marjorieth Sanmartin einige der Gründe auf, die es an Krebs Erkrankten nur noch schwerer machen. „Da ist die Scham, nicht mehr als Frau wahrgenommen und akzeptiert zu werden“, meint sie. Ausgefallene Haare könne man ja noch mit einer Perücke oder einem Tuch kaschieren, aber eine abgenommene Brust? Gedanken, die natürlich auch Marjorieth Sanmartin beschäftigten.
„Ihre Einstellung und ihr Lebenswille haben mich beeindruckt. Ich wollte ihr zeigen, wie schön sie ist“, erinnert sich Iris Edinger und so schlug sie der Kollegin vor, sie zu fotografieren. Gemeinsam entwickelten sie daraus eine Idee: Sie möchten an Krebs erkrankten Menschen die Möglichkeit geben, ihre Geschichte zu erzählen. Um sich selbst (wieder) zu entdecken und damit „ihre Schönheit und Würde in Bildern festzuhalten“, wie Iris Edinger betont.
Marjorieth Sanmartin war so begeistert von Edingers Vorschlag, dass sie während der Chemositzungen anderen Patienten davon erzählte. Darunter auch Christian. Der zweifache Vater hatte ebenfalls einen Tumor in der Brust. Nach anfänglichem Zögern war auch er bereit, vor die Kamera zu treten.
„Uns geht es bei dem Projekt auch darum, die Betroffenen dabei zu unterstützen, der ganzen Sache etwas Positives abzugewinnen, nämlich ihre innere Stärke zu zeigen“, bringt Iris Edinger die Motivation für das Projekt auf den Punkt, die Protagonisten ästhetisch mit nacktem Oberkörper im Bild festzuhalten. Die Momentaufnahme soll auch etwas von der Persönlichkeit der Abgebildeten widerspiegeln. Eben die Veränderungen, die sie durch den Krebs und die Auseinandersetzung mit sich, der Krankheit und dem Leben erfahren haben. „Christian beispielsweise hat immer viel gearbeitet und so nie Zeit für seine erste Tochter gehabt. Kurz nachdem die zweite Tochter geboren wurde, bekam er seine Diagnose und er nahm sich vor, etwas in seinem Leben grundlegend zu verändern“, berichtet Iris Edinger. So ist der (bis jetzt noch) einzige Mann im Projekt, mit Kind auf dem Arm ins Studio gekommen. Stellvertretend für alle Männer, die ebenfalls an Brustkrebs erkranken können.
Durch das Projekt soll Scham abgebaut werden
Nicht jeder, dem Marjorieth Sanmartin von dem Projekt erzählte, war gleich begeistert, sich oben ohne ablichten zu lassen. „Christian war anfangs auch skeptisch“, erinnert sie sich. Ebenso wie Maika. Sie kam schließlich mit ihrem Hund Cooper ins Studio. Der Vierbeiner hatte ihr während der Therapie viel Kraft gegeben und sollte nun gemeinsam mit ihr auch vor die Kamera. „Es geht uns ja genau darum, die Scham abzubauen. Wir haben Narben und Wunden. Na und?“, fragt Marjorieth Sanmartin fast schon provokant. Schließlich haben sie sich diese hart erkämpft. „Wir stehen dazu. Sie gehören zu uns und jeder soll es sehen“, fügt sie hinzu. Und während die zweifache Mutter das sagt, strahlt sie so viel lebensbejahende positive Energie aus, dass man ihr das nicht nur ab- sondern auch etwas davon für sich selbst mitnimmt.
Obwohl Iris Edinger eine Vorliebe für Schwarz-Weiß-Fotografie hat, ist ihre Bilderserie in Farbe. Allerdings reduziert auf die Protagonisten, Keine unnötigen Accessoires. Dunkler Hintergrund, nackter Oberkörper. Die OP-Narben sind ebenso zu sehen wie die Spuren der Bestrahlung. Aber sie stechen nicht hervor, sondern sind vielmehr Teil der Person, die auf den Fotos abgebildet ist.
„Fuck it – I’m alive!“ ist Motto und Lebenseinstellung zugleich. „Wir möchten Betroffenen zeigen, ja – der Krebs ist wirklich sch… Aber man kann kämpfen, sich ihm stellen und daraus innere Stärke ziehen“, meint Marjorieth Sanmartin.
Die Ausstellung soll auf Wanderschaft gehen. Parallel entwickeln die beiden Frauen gemeinsam mit Art Director und Designer Jazek Poralla eine Kampagne, um ihr Anliegen weiter in die Öffentlichkeit zu tragen. „Wir suchen noch Protagonisten, die sich fotografieren lassen möchten, um unsere Kampagne zu unterstützen“, ruft Iris Edinger auf, sich zu beteiligen.
„Fuck it – I’m alive!“ ist in den Räumen von FouZoo, Mülheimer Str. 16-18, vom 13. bis 15. März zu sehen. Infos zu Öffnungszeiten und wie man die Kampagne unterstützen kann unter: