„Für das Publikum wird es wie eine Reise“
Der Belgier Christophe Slagmuylder über das Festival „Theater der Welt“, das er im Jahr 2020 in Düsseldorf leitet.
Im Mai 2020 macht das Festival „Theater der Welt“ Station in Düsseldorf. Mit der Programmgestaltung wurde der Belgier Christophe Slagmuylder betraut. Seit Mitte der 90er Jahre beschäftigt sich der studierte Kunsthistoriker mit der darstellenden Kunst.
Herr Slagmuylder, wie sind Sie von der Kunstgeschichte zur Bühne gekommen?
Christophe Slagmuylder: Ich war immer mehr an Leuten interessiert als an Gegenständen. Mich faszinieren die lebendige Kunst, der Tanz und die Darstellung. Ich habe mit visueller Kunst angefangen, dann kam die Bewegung, der Tanz, dazu und erst zum Schluss auch die Welt der Worte.
Mit welcher künstlerischen Kultur sind Sie aufgewachsen?
Slagmuylder: Ich komme ja als Belgier aus keinem alten Land wie Spanien oder Frankreich. Darum besitze ich keine tief in der Vergangenheit wurzelnde nationale Identität. Das ist ein Vorteil für die Avantgarde. Unser Theater steckt nicht so sehr fest in der Tradition. Und durch die Vielsprachigkeit ist die Sprache im Theater nicht so dominant. Der Akzent liegt mehr in den Bereichen Bild, Bewegung und Materialien. Das hat stark zu meiner Entwicklung beigetragen.
Wo bekamen Sie die wichtigsten Impulse?
Slagmuylder: Die Needcompany, Jan Fabre, Anne Teresa De Keersmaeker mit ihrer Kompanie Rosas und Wim Vandekeybus haben mich als Teenager begeistert. Diese Künstler und Kompanien haben in den 80er Jahren mit ihrer Arbeit begonnen. Sie gehören tatsächlich auch heute noch zur Avantgarde.
Nun gestalten Sie selber ein Theaterfestival. Wo sehen Sie den größten Unterschied zwischen einem Festival und dem regulärem Theaterbetrieb?
Slagmuylder: Ein Theaterfestival ist eine Konzentration von Theater in Raum und Zeit. Das ist ähnlich gebündelt wie bei einem Feuerwerk. Es geht nicht nur um die Präsentation von Stücken. Wichtig ist, dass viele verschiedene Menschen in einem Raum zusammenkommen. Ich finde, es ist fantastisch, wenn sich so viele verschiedene Leute kennenlernen können. Für das Publikum wird das wie eine zehn- oder 15-tägige Reise, bei der sie verschiedene künstlerische Sprachen erleben.
Welche Akzente wollen Sie 2020 in Düsseldorf setzen?
Slagmuylder: Ich will noch nicht viel verraten. Was ich jetzt schon sagen kann: Ich bin weniger am dokumentarischen Theater interessiert, als an Herangehensweisen, die den Blick auf künftige Möglichkeiten und Chancen eröffnen. Ich glaube an die Vorstellungskraft. Das mag sich klischeehaft anhören, aber ich denke, so etwas ist gerade heute sehr wichtig.
Was finden Sie im Theater spannend?
Slagmuylder: Wenn etwas auf der Bühne passiert, was nirgendwo anders stattfinden kann. Etwas zu sehen, was nur auf der Bühne geschehen kann, ist der Grund, warum ich Theater so liebe.
Kann man das als Absage an den Naturalismus verstehen?
Slagmuylder: Ja, denn die Erfahrung der Welt ist auf der Bühne eine andere als in der Realität. Vor allem gibt es auf der Bühne die Möglichkeit, Alternativen zum Gegenwärtigen zu imaginieren.
Was ist heute ein stärkerer Publikums-Magnet: das avantgardistische oder das traditionelle Theater?
Slagmuylder: Ich denke, beides ist wichtig. Es gibt keine Avantgarde ohne das Klassische und umgekehrt. Beide Elemente ergeben zusammen einen großen und starken Magneten.
Im Musikbetrieb fristet die Avantgarde eher ein Nischendasein.
Slagmuylder: Das liegt daran, dass das Konzertleben — anders als im Theater — stark in Segmente aufgeteilt ist. Aber zum Glück wandelt sich das in letzter Zeit, auch im Musikbereich.
Wie gut kennen Sie die Düsseldorfer Theaterlandschaft, etwa das Schauspielhaus?
Slagmuylder: (lächelt) Ich kenne es und freue mich darauf, es nun noch besser kennenzulernen.
Wie stark werden Sie hier präsent sein?
Slagmuylder: Ich fange im Juni dieses Jahres intensiv an, hier zu arbeiten. Und im Januar 2019 ziehe ich um nach Düsseldorf.