Für die Künstler ist die „Große“ oft ein Sprungbrett

Diesjährige Preisträgerin ist Sybille Pattschek. Malerei steht bei der Kunstausstellung nicht im Vordergrund.

Foto: Dejan Saric

Die Malerei steht 2018 bei der Großen Kunstausstellung NRW nicht im Vordergrund. Fotografien, Installationen und Skulpturen dominieren die Säle im Museum Kunstpalast. Traditioneller Ort der einzigen Museumsschau, bei der Besucher auch Kunst kaufen können. Unter den 160 Künstlern (50 Prozent davon Frauen), die zur Hälfte aus Düsseldorf, zur Hälfte aus dem Land zwischen Bielefeld und Aachen kommen, fällt ein Aspekt auf: Besonders viele Arbeiten aus dem plastischen Bereich stammen von Frauen verschiedener Generationen.

So geht der Förderpreis an Carmen Schaich, Jahrgang 1987, die im letzten Sommer ihr Akademiestudium beendete. Und den Preis der „Großen Kunst“ erhält die Kölner Künstlerin Sybille Pattscheck.

Letztere betört mit einer Reihe von zauberhaften, beinah monochromen, minimalistischen Tableaus, deren Oberfläche von Weitem zu vibrieren scheint. Von den in Orange und Magenta bemalten Rändern zieht die Farbe leicht in die Mitte der Bilder, die Pattscheck überwiegend mit transparentem Bienenwachs bestreicht. Mehrere Wachs-Schichten trägt sie auf quadratische und rechteckige Bilder auf, benutzt nur wenig Öl. So meint man, die Bilder (auf Plexiglas montiert) schweben im Raum. In verschiedenen Größen fertigt sie die Wachsbilder an, die kleinen Quadrate (26 Zentimeter) sind bereits für 450 Euro zu erwerben.

Kleinformate von verschiedenen Künstlern zieren bereits den Eingang im Ehrenhof-Museum. Collagen, Zeichnungen, Fotos und Objekte unter Glas. Auch sie sind für den kleinen Geldbeutel gedacht. Preis: maximal 400 Euro. Ein Angebot, das in den letzten Jahren auf große Resonanz stieß, so Michael Kortländer. Seit 2010 organisiert und kuratiert er die traditionsreiche Schau, öffnet sie durch Sonderveranstaltungen, Kooperationen mit Kunstakademie (Klasse von Stefan Kürten), Matthias-Claudius-Schule und dem Lore-Lorentz-Berufskolleg auch dem jungen Publikum. Und sorgt auch bei der 116. „Großen Kunst“ nicht nur für museumswürdige und exquisite Präsentation, sondern, dank jährlich wechselnder Jury (fünf Künstler und zwei Kunsthistoriker), für ein hohes Maß an Abwechslung und Vielfalt an Genres und Stilrichtungen. Für 2019 gibt es sogar Pläne, die Schau auszuweiten (siehe Kasten).

Das lockt selbst Museumsleute und Galeristen auch aus europäischen Nachbarländern an, sagt Kortländer. So verdanken manche Künstler ihrer Teilnahme, dass sie den Sprung von hier aus auf den internationalen Markt schaffen.

So Frank Hinrichs, der mit „Skriptor 18“ überrascht. Kunstharz, Steinmehl und Ölfarbe trägt er nicht mit Pinsel auf, sondern schlägt sie mit Lederriemen auf die Leinwand. Ein reliefartiges Bild, aus dem Blätter herauszuwachsen scheinen. Zu erwerben sind Hinrichs skulpturale Gemälde auch in einer Londoner Galerie, die ihn vor einigen Jahren entdeckt hatte.

Ein Star der Fotoszene ist mit Boris Becker vertreten, der einen nahezu dokumentarischen Blick in das Innere der Baustelle Kölner Oper wagt. Auf einem drei Meter hohen Latexprint sieht man den entkernten Innenraum mit Guckkastenbühne und einem Riesenbecken, in dem sonst Orchester und Zuschauer sitzen. Altmeisterlich dagegen die Schwarz-Weiß-Porträts und Ruhrgebiets-Idyllen der Legende Walther Vogel (85).

Inszenierte Fotografie indes bieten andere. Wie Hannes Norberg, der mit einem blau-weiß-roten Opus (ein auf 1,80 Meter vergrößertes Wellpappen-Model) ein Spiel von Bild und Abbild wagt. Oder Myriam Hofer, die Fliegen in eine Wachsschicht einlegt und auf 1,20 Meter vergrößert — „Zwei Fliegen in Katzenmilch“, so der surreale Titel der Fotografie.

Einen Eye-Catcher beschert der in Düsseldorf lebende Japaner Shinpei Takeda (40). Von der Decke schwebt in einem der hohen Räume ein weit aufgerissenes Riesenmaul (oder ist es ein Trichter?), das aus Tausenden Fäden zusammengeflochten ist. Neben einigen Vertretern geometrischer und Architektur-Malerei und zahlreichen Grafiken, Holzschnitten inklusive, fallen zwei in den Saal gestellte Portale auf: In dieser raumgreifenden, doppeldeutigen und originellen Installation baut Clemens Botho Goldbach (39) das Tor nach, das jeder von einem 50-Euro-Schein kennt. Holzreste, Sperrholzlatten, Schalungs- und Einrüstplatten montiert er zu einem imposanten Kulissen-Tor, das gut und gerne als Bühnen-Bild einsetzbar wäre. „Euruin 50 Euro“, so der Titel des Objekts, würde auch gut passen in die Foyers von Geldtempeln wie Bundesbank oder Europäischer Zentralbank.