Aktion Adventskalender „gefüllt mit Menschen“

Düsseldorf · Interview Alexandra Wehrmann bittet für einen Moment nach Oberbilk. Und dies gleich 24 mal. Treffpunkt ist eine Hofeinfahrt.

„Für einen Moment“: Alexandra Wehrmann lädt ab 1. Dezember zu Aktionen hinter dieser Tür in die Hofeinfahrt an der Industriestraße 33.

Foto: Dirk Feller

Alexandra Wehrmann ist gebürtige Düsseldorferin (in Eller) und bekennende Oberbilkerin. Sie lebt nicht nur in dem Stadtteil, sie liebt ihn. Die 48-jährige Journalistin und Bloggerin hat sich vom 1. bis 24. Dezember für jeden Tag eine Aktion überlegt. Eine Art von Adventskalender, „gefüllt mit Menschen, statt mit Schokolade“, wie sie sagt. Dabei wird 24 Mal jedoch immer dasselbe Türchen geöffnet, in diesem Fall eine Hofeinfahrt an der Industriestraße. „Für einen Moment“ nennt Wehrmann ihr tägliches Projekt. Es ist für alle offen.

Frau Wehrmann: Sie leben nicht nur in Oberbilk, Sie setzen sich mit dem Leben dort in Form von Aktionen auseinander. Wie kam es dazu?

Alexandra Wehrmann: Nach der Razzia 2016, über die von vielen Medien berichtet wurde, ging es mir darum, von diesem eindimensionalen Bild wegzukommen. Es ist keinesfalls alles Gold in Oberbilk. Trotzdem besteht der Stadtteil auch nicht ausschließlich aus Antänzern, Waffenlagern, Drogen und Messerstechereien. Das wollte ich vermitteln.

Unter dem Titel „Still loving Oberbilk“ haben sie damals angefangen Rundgänge im Viertel anzubieten.

Wehrmann: Ja, zumal ich ein großer Fan von Hinterbahnhofsgegenden bin, mit Rotlichtmilieu, dem Zusammenleben vieler Nationen, Künstlern. Ich wollte andere Aspekte Oberbilks zeigen. Später habe ich Rundgänge in Garath, zu verschwundenen Orten in der Stadt oder über die Kiefernstraße angeboten.

Mit der Aktion „Für einen Moment“ geht es nun zurück nach Oberbilk. Wie kam es zu der Idee?

Wehrmann: Nun man kennt ja die so genannten lebendigen Adventskalender mittlerweile in anderen Stadtteilen. Bei mir persönlich hat sich ein Besuch vor zehn Jahren in der Bergerkirche im Kopf festgesetzt. Ein schönes Format, dachte ich, und dass auch eine Hofeinfahrt ein Adventstürchen sein könnte.

Mit der Hofeinfahrt an der Industriestraße 33 haben sie nun einen passenden Ort gefunden?

Wehrmann: Ja, 24 wären zwar ideal gewesen, aber die müssten ja alle im Stadtteil sein. Aber finden Sie da mal 24 Hausbesitzer...

Was ist das Konzept ihrer Aktionen?

Wehrmann: Mich interessiert es mit den Momenten den Alltag aufzubrechen. Die Aktionen dauern maximal 15 Minuten.

Mit welchen Momenten können wir ab Sonntag bis Heiligabend rechnen? Haben die etwas mit der Advents- und Weihnachtszeit zu tun?

Wehrmann: Nein, gar nicht. Vorweihnachtszeit ist überall in der Stadt. Die Zeit ist stark durch Hektik und Konsum geprägt. In der Hofeinfahrt gibt es keine Kekse, keinen Glühwein oder lustige Weihnachtsmannbommelmützen.

Sondern?

Wehrmann: Es geht täglich um 18.30 Uhr um einen Programmpunkt, mal leichte, mal ernste Themen.

Was sind beispielsweise die leichten?

Wehrmann: Am 8. Dezember gibt es Pole Dance mit Pia Karaus und Malwina Steinhoff in der Einfahrt. Auch stehen Konzerte und Dichterlesungen auf dem Programm.

Und wann wird es ernster?

Wehrmann: Wenn es um die Situation auf dem Düsseldorfer Wohnungsmarkt geht und Thomas Eberhardt-Köster einen Kurzvortrag zum Thema „Wohnen ist ein Menschenrecht“ hält. Oder wenn Jörg Gerhartz, ein ehemaliger Obdachloser, seine Geschichte erzählt.

Auch Pfarrer Lars Schütt gestaltet einen der 24 Momente. Predigt er?

Wehrmann: Nein, er zeigt unseren gemeinsamen Film über den Oberbilker „Boxpapst“ Wilfried Weiser.

Es gibt aber auch Mitmach-Momente?

Wehrmann: Ja, so beim Nachbarschafts-Karaoke am 2. Dezember.

Und wenn dann jemand ein Weihnachtslied singt?

Wehrmann: Das glaub ich zwar noch nicht, es wäre aber auch in Ordnung.

Nach dem 10- bis 15-minütigen Input an den 24 Tagen geht man gleich wieder auseinander?

Wehrmann: Nein, mein Wunsch ist, dass sich die Leute auf etwas einlassen, was sie noch nicht erlebt habe. Es gibt dann die Möglichkeit zum Austausch über das Thema aber auch einfach die Idee, die Menschen zusammenzubringen, die sonst nicht zusammengekommen wären.

Ohne Glühwein.

Wehrmann: Ja. Wir wollen aber Minztee ausschenken. Nicht im Hinterhof. Aber schräg gegenüber gibt es ein Büdchen.

Zu den Momenten ist die Einfahrt immer von 18.30 bis 19.30 Uhr offen. Für Heiligabend haben Sie jedoch etwas anders geplant.

Wehrmann: Dann öffnen wir die Hofeinfahrt um 13 Uhr. Wir passen uns damit den Zeiten in den Familien an. Zum Abschluss gibt es dann noch mal ein Mitmach-Programm – Tai Chi mit Michael Wenzel. Da geht es ja wohl darum, sich so langsam wie möglich zu bewegen und er zeigt uns ein paar Übungen. Vielleicht direkt für die Weihnachtstage, wenn man es nötig hat.

Besuchen Sie überhaupt andere Weihnachtsmärkte in Düsseldorf?

Wehrmann: Den Weihnachtsmarkt am Schloss Benrath schon, da gehe ich auch gerne spazieren. Aber ein Besuch der Glühweinpyramide in der Altstadt wäre für mich die Höchststrafe. Nicht nur, weil ich keinen Glühwein trinke.

Seit Juli haben Sie die Momente organisiert. Was machen Sie nach dem letzten am Heiligabend?

Wehrmann: Da werde ich in die Kirche gehen. Wahrscheinlich in die Oberbilker Christuskirche, in der Haru Specks bei Kerzenlicht Musik auflegt.

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