Gewalt im Fußball: "Wahrnehmung größer als die Realität"

Von einer Verbesserung der Situation sprechen Experten in Sachen Gewalt im Fußball. Über die Entwicklungen im Stadion und nach dem Spiel, die Rolle der Ultras und deren Verdienste, darüber sprach eine Expertenrunde im Düsseldorfer Haus der Jugend.

Düsseldorf. Die Düsseldorfer SPD hat am Mittwochabend eine Expertenrunde zum Thema Fußball und Gesellschaft in das Haus der Jugend geladen. Nimmt die Gewalt in Fußballstadien tatsächlich zu und welche Rolle spielen die „Ultras“ dabei? Kann man sich im Stadion überhaupt noch sicher fühlen? An der Podiumsdiskussion nahmen mit Dirk Bierholz, Hans-Joachim Kensbock-Rieso, Ingo Krausen und Martin Volkenrath Vertreter von Fans, Polizei und Politik teil.

Kensbock-Rieso, Einsatzleiter bei Heimspielen der Fortuna,schätzt die Zahl der gewaltbereiten Hooligans in Düsseldorf auf circa 30 Personen. „Im letzten Jahr gab es in Düsseldorf 31 Festnahmen, in der laufenden Saison sind es bislang 21“, sagt er. Die Gewaltspirale sei dabei in der öffentlichen Wahrnehmung mitunter größer, als in der Realität, stellt Kensbock-Rieso fest. „Es gibt keine explosionsartige Entwicklung im Fußball, wohl aber in einzelnen Spielen.“ Als Beispiel nennt er das Pokalspiel zwischen Dortmund und Dresden. „Als die Dresdner eine Woche später in Düsseldorf spielten, blieb dagegen alles ruhig“, sagt er. Ein Grund dafür sei, dass die Fantrennung in der Stadt und am Stadion funktioniere.

Problematisch sei aber das Verhalten einiger sogenannter „normalen“ Fortuna-Fans nach dem Spiel in der Stadt. „Diese Konflikte nehmen zu, das haben wir als Polizei in den letzten Jahren ein bisschen aus den Augen verloren“, gibt er selbstkritisch zu.

Dass die Situation sich insgesamt gebessert hat, findet auch Dirk Bierholz, Leiter des Fanprojekts. „Als ich angefangen habe, gab es in Düsseldorf insgesamt rund 350 Hooligans, heute sind es nicht mal mehr 50“, sagt er. Und: „Ich will eine Lanze brechen für die Ultras. Das ist zum ersten Mal eine Jugendbewegung, die weit über den Fußball hinaus geht und die nicht auf Krawall gebürstet ist“, sagt Bierholz. Und die sich nebenbei auch noch gegen Diskriminierung und Rassismus engagiert. Das heute im Stadion keine Reichskriegsfahnen mehr wehen und farbige Spieler nicht mehr mit Affenlauten begrüßt würden, „das ist ein Erfolg der Ultras“, sagt Bierholz.

Dennoch ist das Verhältnis von Ultras und der Polizei angespannt, weiß auch SPD-Ratsherr Martin Volkenrath. „Das Problem ist, dass die Polizei für den gewaltbereiten Rand der Ultragruppen ein Feindbild darstellt.“ Und die Ultras für viele Beamten offenbar auch ein rotes Tuch darstellen. „Für viele Polizisten sind die Ultras eine diffuse Mischung aus Hooligans und schwarzer Block“, sagt Volkenrath. Auch Hans-Joachim Kensbock-Rieso sieht die Ultras oft falsch dargestellt. „In der öffentliche Wahrnehmung hat der Ultra die Rolle des Hooligans übernommen. Das trifft aber nur auf einen ganz kleinen Teil der Szene zu“, sagt der Einsatzleiter.

Eine Lösung könnte sein, den Fans mehr Verantwortung, aber auch mehr Pflichten zu geben. Seit Jahren gibt es in der Arena einen selbstverwalteten Fanbereich. Ingo Krausen vom Supporters Club Düsseldorf ist Mitorganisator der selbstverwalteten Kurve: „Wir haben dort einen eigenen Ordnungsdienst, die Polizei, hält sich weitgehend aus diesem Bereich heraus. Das hat in den letzten Jahren dazugeführt, dass es dort immer weniger Gewalt gab und, zumindest bei Heimspielen, kaum Pyrotechnik angewendet wurde“.