Puppenspiel „half past selber schuld“: Visionen für das Jahr 2053
Die Puppenspieler von „half past selber schuld“ bringen im FFT Visionen für das Jahr 2053 böse, witzig und in origineller 1950er-Retro-Optik auf die Bühne.
Düsseldorf. „Ihr werdet alle sterben. Die wenigsten von euch spontan.“ Drei Paare aufgerissener Augen glotzen ins Publikum, drei Nasen und Münder klemmen in einer Apparatur und klagen über den Tod als Naturgesetz. Menschen, Maschinen, Monster — im neuen Bühnencomic „Kafka in Wonderland“ der Düsseldorfer Puppenspieler half past selber schuld erscheinen 70 Minuten lang seltsame Mischwesen, sie führen in loser Szenenfolge wahnwitzige Möglichkeiten einer Welt im Jahr 2053 vor und überraschen mit vielen Spielarten in einer Retro-Optik amerikanischer Werbefilmchen der 1950er.
Frank Wonderland, eine lebensgroße Puppe mit gruseligem Glatzenschädel, wirbt für endloses Leben und für die Vorteile von Wonderland Inc., ein Unternehmen, das den Upload eines Bewusstseins in die einzig wahre Wonderland-Inc.-Cloud anbietet — vollauflösend und in bester Audio-Qualität. Er warnt vor Discount-Angeboten, in denen man sich womöglich in falscher Gesellschaft wiederfindet.
Dumm gelaufen für einen bekennenden Atheisten, der sich auf einem Wölkchen sitzend bei Jesus im Himmel gar nicht wohlfühlt. „Du hast immer deine Kirchensteuer bezahlt und dir damit diesen Platz in der Cloud gesichert.“ Dabei war dieser Mann, eine weißgesichtige Puppenfigur, doch nur zu faul, aus der Kirche auszutreten. In bester Monty-Python-Manier zelebriert Jesus seine Allmacht mit Blitz, Donner und Ohrwurm-Gesang — ein ziemlicher Spaß.
Wie technisch perfekt die acht schwarz gekleideten Puppenspieler sind, beweisen ihre fliegenden Dinosaurier, auf denen kleine Menschen sitzen. Die Flügel der Urtiere schwingen am geführten Holzstab rührend realistisch. Doch jede Sentimentalität wird von den klugen Theatermachern, die Schauspiel, Video, Musik und Tanz eindrucksvoll originell verbinden, im nächsten Moment unterlaufen. So erscheint ein einäugiges Waffenwesen namens KAFKA 24. Auf zwei Beinen bewegt es sich geschmeidig hin und her, obenrum ähnelt es eher einem Panzer. Es spürt zwei Feinde auf und wird sie töten, doch vorher entspinnt sich ein Gespräch, in dem KAFKA 24 seine zarte Künstlerseele offenbart, um dann ohne Zögern abzufeuern. Dabei hatte man die anmutige Tötungsmaschine gerade ins Herz geschlossen.
Auch Johnny Cashmir, der in Video-Clips auf einer Leinwand auftaucht, ist ein echter Sympathieträger. Der Nachrichtensprecher ähnelt Gonzo aus der Muppet-Show und berichtet von erstaunlichen Ereignissen in Wonderland: So klagt ein Mikrowellengerät auf Elternschaft. Das von ihm ausgetragene Instant-Baby werde mit schlechter Fertignahrung von seinen Eltern versorgt — ein unerträglicher Zustand für die Maschine und ein zynischer Quatsch an diesem großartigen Theaterabend.