Im Kling-Klang-Studio bollert es wieder
Wo einst die Gruppe Kraftwerk ihre Platten aufnahm, bietet Philipp Maiburg Künstlern jetzt Gelegenheit, Musik zu machen.
Düsseldorf. In jeder anderen Stadt würde das Schild mit dem Aufdruck „Elektro Müller“ nicht weiter auffallen. In Düsseldorf löst es ein mittleres, emotionales Erdbeben aus. Denn hier hängt der Schriftzug an der Mintropstraße über einem Hauseingang im Hinterhof. Wer die Tür darunter öffnet, der steht im alten Kling-Klang-Studio der Techno-Pioniere Kraftwerk. Düsseldorf, Mintropstraße, Kling-Klang — diese Kombination veränderte in den 70er Jahren die Musikwelt, ehe die Kraftwerk-Köpfe Ralf Hütter und Florian Schneider auszogen. Jetzt fiept und bollert es wieder.
Es war Philipp Maiburg, der den Maschinenraum des Kraftwerks wieder anwarf. Wie so oft im Leben spielte dabei der Zufall eine Rolle: Maiburg ist Veranstalter des Open-Source-Festivals, das sich einmal im Jahr der elektronischen Musik widmet, und hörte „über zwei Ecken“, dass der rund 50 Quadratmeter große Raum zu vermieten sei.
Maiburg sagt, er habe schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken gespielt, befreundeten Elektromusikern und Künstlern, die beim Open-Source auftreten, einen Ort zur Verfügung zu stellen, an dem sie als „Artist in Residence“ an ihrer Musik tüfteln können. Jetzt hat er ihn gefunden. Die einzige Bedingung: Die Tüftler müssen am Ende ihres Aufenthaltes einen Teil dessen, was sie erarbeitet haben, im kleinen Rahmen vorstellen. Kein offizielles Konzert, sondern eine Hör-Session für geladene Gäste.
Das Duo Sven Kacirek und Stefan Schneider (Ex-Kreidler) war als Erste da und gab eine Kostprobe ihrer Kling-Klang-Experimente. Zuletzt stand der Düsseldorfer DJ und Musiker Wolf Müller alias Jan Schulte im Studio und ließ seine mit allerlei Geräuschen durchwirkten Elektro-Arrangements durch den Raum wabern.
Düsseldorf. Müller ist 29 Jahre und sagt, er sei mit Kraftwerk aufgewachsen: „Mein Vater hat mir die Songs auf Kassette aufgenommen.“ Entsprechend fühle er sich geehrt, an diesem Ort zu arbeiten. „Es ist ein Ort, an dem ich mich angesichts seiner Geschichte beinahe wie ein Dilettant fühle.“
Das kann man nachvollziehen. Denn die Magie von damals, als hier musikalisch Epochales wie „Autobahn“ entstand, ist nach wie vor spür- und greifbar: Die mit Kunststoffplatten beklebten Wände und der alte Linoleumfußboden sind noch da und verströmen ihren antiquierten Geruch. Man kann sehen, wo die selbst erklärten Mensch-Maschinen von Kraftwerk damals ihre Synthesizer- und Verstärkerkabel verlegten. „Seit den 70ern ist hier niemand drin gewesen“, sagt Maiburg. Kraftwerk zogen aus. Maiburg ging rein.
Derzeit befindet er sich in Gesprächen mit der Stadtverwaltung, wie man das Studio langfristig als Ort für offizielle Konzerte und Ausstellungen erhalten könne. Allein sei das nicht zu stemmen, sagt Maiburg. Dazu seien Auflagen und Kosten zu hoch. Doch die Chancen stünden gut. „Schließlich reden wir hier von einem Ort, der weltweit von Bedeutung ist.“