Jugendliche und Alkohol: Trinken bis zum Umfallen
Unsere Redaktion hat in der Altstadt Jugendliche zum Konsum von Alkohol befragt. Ergebnis: Exzesse gehören dazu.
Düsseldorf. Die Zahlen lügen nicht: Jedes Jahr werden mehr Jugendliche wegen Alkoholmissbrauch stationär behandelt. Waren es 2007 noch 79, sind es im vergangenen Jahr bereits 116 gewesen. Woher kommt die gesteigerte Lust auf Rausch? Wir haben das Gespräch mit den Jugendlichen gesucht — am Ostersamstag in der Altstadt.
Amir, Torben und Benjamin (alle 19) sitzen an der Bolkerstraße und rauchen Shisha mit Apfeltabak. Die drei Freunde interessiert der große Rausch nicht. „Ich weiß nicht, was der Reiz daran sein soll“, sagt Amir. Abstürze haben auch sie schon mitgekriegt, wenn auch nicht am eigenen Leib.
Mit 16 hat Torben Wache am Krankenbett eines Kumpels gehalten, der zusammengebrochen war. Die Flasche Wodka zuvor war zu viel für ihn. „Ich bin kein Babysitter“, sagt Torben, als ob ihm seine Fürsorge peinlich wäre. „Ich wollte nur nicht, dass er verreckt.“
„Es geht darum, sich zu vergleichen. Darum, wer der Härteste ist“, sagt Marvin (17) und muss dabei selber lachen. „Und um Frauen abzuschleppen“, sagen seine Freunde. In Wirklichkeit meinen sie damit, die Angst zu überwinden, Mädchen überhaupt anzusprechen. Trotz Macho-Gehabe wirken sie noch wie kleine Jungs, die gerade die ersten eigenen Fußstapfen hinterlassen wollen. Totalausfälle als Kollateralschaden inklusive.
Die Berufsschüler stehen auf der Liefergasse, jeder ein Bier in der Hand, die Wodka-Flasche macht die Runde. Abstürze bis hin zum Filmriss haben viele von ihnen schon erlebt. Mit sechs Jahren hat Marvin zum ersten Mal Alkohol getrunken, mit 14 lag er zum ersten Mal besinnungslos auf der Straße. Er hat daraus gelernt, behauptet er. Die Flasche Wodka ist von ihm.
Lennart (17) erzählt vom Absturz eines Freundes, der beinahe tödlich endete. Eine Party am Rhein, sein Kumpel (15) trinkt Bier, Alkopops, zum Schluss Wodka pur. Dann kommt er auf die Idee, schwimmen zu gehen.
Lennart reagiert als einziger, zieht ihn im letzten Moment heraus. Für den Kumpel endet die Nacht im Krankenhaus. Am schlimmsten sei für ihn gewesen, wie enttäuscht seine Eltern von ihm waren, wird er hinterher erzählen. Ein heilsamer Schock — zumindest von den harten Sachen hat er danach die Finger gelassen.
Alkopops hält auch Daniela Weyers vom Präventionsprogramm HaLT für einen Teil des Problems. „Sie verleiten dazu, zu viel zu trinken.“ Sie schmecken wie Limonade, und wenn man den Alkohol merkt, ist es zu spät. HaLT kümmert sich um Kinder und Jugendliche, die wegen ihres Alkoholkonsums auffällig geworden sind. Dieses Jahr immerhin schon 14.
Mit dem Alkohol kommt oft auch die Gewalt. Freunde, die betrunken zusammengeschlagen wurden, kennen alle, die wir fragen. Fast schon normal sei das, findet Markus (17). Aber längst nicht alle sind dabei in der Opferrolle. „Wenn ich getrunken habe und mir geht einer auf den Sack, mach ich ihn platt“, sagt Marvin.
Körperliche Wunden heilen, viel schlimmer sind die seelischen. Bei mehr als 50 Prozent der Mädchen, die sexuell missbraucht wurden, war Alkohol mit im Spiel. „Die Gefahr ist groß, dass andere es ausnutzen, wenn ein junges Mädchen hilflos wirkt“, sagt Weyers.
Markus trinkt drei bis vier Mal die Woche. Auch alleine. Zur Entspannung, sagt er. So lange, bis sein Hirn kitzelt. „Ich hoffe, dass ich noch mal davon wegkomme. Aber sicher bin ich mir nicht.“ An seinem Trinkverhalten will er dennoch nichts ändern. „Ich bin jung, ich kann auch in zehn Jahren noch aufhören.“ Und wenn es dann bereits zu spät ist? Schulterzucken. Viel greifbarer ist für ihn eine andere Sorge. „Ich hoffe, dass ich nicht mit vierzig einen Bierbauch habe.“