Aufräumen Aufräumen mit Frau Ordnungszauber
Düsseldorf · Katja Bornemann ist die Düsseldorfer Antwort auf die japanische Ordnungsexpertin Marie Kondo. Sie hilft Menschen, Struktur in den Haushalt zu bringen und sich von unnötigem Ballast zu befreien. WZ-Autorin Ines Arnold hat es versucht.
Die Fenster! Um kurz vor zehn Uhr starre ich schockiert auf die beschmierten Scheiben des Wohnzimmers. Und zum ersten Mal verfluche ich die warmen Sonnenstrahlen, die darauf ein Mosaik klebriger Kinderfinger zeichnen. Der erste Blick der Ordnungsexpertin wird unausweichlich an den schmuddeligen Fenstern hängen bleiben und einen völlig falschen Eindruck vermitteln. Wenn schon der Inhalt meiner Kommoden und Kleiderschränke, etliche Schubladen und der komplette Keller ohne Struktur sind, will ich doch zumindest zeigen, dass alles sauber ist. Kurz überlege ich, den Fensterreiniger zu holen, da sehe ich durch die nebligen Scheiben die Umrisse eines weißen Autos. Die Düsseldorfer Antwort auf die japanische Ordnungsfee Marie Kondo ist da.
2015 hat sich Katja Bornemann mit ihrer Geschäftsidee selbstständig gemacht. Sie hilft Menschen, Ordnung in ihr Chaos zu bringen, den Haushalt auszumisten und zu strukturieren. Denn die 43-Jährige ist überzeugt: Ordnung im Haus hilft, die anderen Dinge im Leben gelassener zu nehmen. Weiß man erst einmal, wo alle Sachen zu finden sind, wird Stress, Zeit und sogar Geld gespart - weil nichts mehr doppelt gekauft wird. Nicht erst seit der Netflix-Serie „Aufräumen mit Marie Kondo“, die zum absoluten Hype sogar unter Aufräum-Muffeln wurde, erlebt Bornemann eine starke Nachfrage. „Frau Ordnungszauber“, wie sie sich selbst nennt, ist in ganz NRW im Einsatz. Ihre Kunden: Menschen, denen der Haushalt über den Kopf gewachsen ist. Weil sie beruflich stark eingebunden sind, weil sie eine große Familie managen oder einen Schicksalsschlag erlitten haben. Sie alle fühlen sich nicht mehr wohl in ihrem Zuhause und wünschen sich dort einen Zustand, der sie beschwingt und nicht belastet. Und Katja Bornemann will genau diesen Zustand herstellen.
Auch vor meiner Haustür steht sie nun. In ihrem Korb, den sie auf dem Unterarm balanciert und damit etwas an Mary Poppins erinnert, liegen Müllbeutel und ein Beschriftungsgerät. Und ich ahne, dass vor allem die Müllbeutel bei mir zum Einsatz kommen werden. Mit fünf Personen im Haushalt, davon drei kleinen Kindern, sammelt sich eine Menge Zeug an, das ich schon oft versucht habe loszuwerden – zu verkaufen, zu verschenken oder auch einfach nur wegzuwerfen. Nicht nur diese Versuche scheiterten - an Käufern, Abnehmern oder meinen eigenen Trennungsängsten. Auch die Motivation, den Rest der Dinge im Keller in entsprechenden Kisten zu ordnen, verging zu schnell. Schließlich ist es wenig verlockend, sich tagelang im Keller wegzusperren. Das Haus sauber zu halten (exklusive der Fenster), die Wäsche halbwegs im Griff zu haben, für Familie, Freunde und Job da zu sein, das langt. Für Projekte darüber hinaus, hat der Tag einfach zu wenige Stunden. Dachte ich zumindest.
Doch schon bei der Begehung der Zimmer erklärt mir Katja Bornemann, dass es nicht einfach um das Sortieren von Klamotten geht. „Man sollte sich immer selbst hinterfragen“, kommentiert sie die penible Ordnung, die auf den ersten Blick in den Kinderzimmern herrscht. Und ich ahne, worauf sie abzielt. „Man sollte nie von Perfektionismus ausgehen, da verzettelt man sich zu sehr“, sagt sie. Ich sehe mich um und erwische mich dabei, wie ich die Tagesdecke meines Sohnes zurechtzupfe. Ja, ich investiere zu viel Zeit in Dinge, die schlichtweg unnötig sind, nehme es mir der Ordnung und dem Staub etwas zu genau. „Vielleicht schaffen Sie es ja, es da ein wenig gelassener zu nehmen. Dann können sie sich nach und nach die anderen Bereiche im Haus vornehmen“, sagt Bornemann.
Denn die sichtbare Ordnung der Zimmer ist nicht repräsentativ für den Inhalt der Schränke. Ich müsste dringend aussortieren. Um sich von Anziehsachen zu trennen, hat Bornemann wertvolle Tipps parat: „Ist man sich unsicher bei einem Kleidungsstück, dann sollte man es einen Tag lang tragen und am Abend entscheiden, ob es weg kann oder man es behält.“ Will man die Sachen nicht mal einen Tag lang bei der Arbeit tragen und testen, sollten sie direkt weg. Generell gilt laut Bornemann: Immer nur die Größe im Schrank behalten, die man aktuell trägt. „Es bringt nichts, auf Zeiten zu warten, in denen man vielleicht doch noch mal in die Jeans passt. Wenn man dann doch abgenommen hat, darf man sich auch eine neue Hose gönnen.“ Auch der Preis eines Kleidungsstücks sollte nicht hemmen, es wegzugeben. „Ein Fehlkauf ist ein Fehlkauf. Ob das Teil nun teuer oder preiswert war.“
Beim Weg in den Keller ist endgültig Schluss mit sichtbarer Ordnung. Schon auf der Treppe fallen Farbtöpfe ins Auge, die von abgebrochenen Möbelrestaurierungsprojekten zeugen. Im Flur dann eine Tüte mit geerbten Reitsachen, die für die Töchter noch zu groß sind und deshalb seit Dezember den Weg in die Waschküche versperren. Auf der anderen Seite ausrangierte Elektrogeräte, die der Ehemann vor Monaten kommentarlos abgelegt hat. Und dann kommen wir in die Rumpelkammer: Kartons, teilweise sogar beschriftet, stapeln sich bis zur Decke. Gefüllt mit Kinderkleidung und -spielzeug, mit persönlichem Krimskrams und Geschirr. Dazwischen ausrangierte Laufräder, Elektrogeräte und Sandspielzeug. Katja Bornemann beginnt, herumzuräumen. „Ich empfehle durchsichtige Kisten, damit sofort erkennbar ist, was drin ist“, sagt sie.
Und dann pfeffert sie mir die nächste Erkenntnis mit einem sympathischen Lachen um die Ohren: „Sie horten Verpackungen. Ihr Keller besteht zu einem Viertel daraus.“ Ich gucke mich irritiert um. Tatsächlich. Ich behalte die Kartons der Schuhe, der Reitkappe, der Spielsachen, weil ich denke, sie eines fernen Tages vielleicht so besser verkaufen zu können. Ein absoluter Irrglaube, wie mich Frau Ordnungszauber überzeugt. Die Kartons müssen weg.
Der Rest soll nach System geordnet werden, Kisten beschriftet und danach einsortiert werden. Mit ihren Kunden macht Katja Bornemann das Seite an Seite. „Der Anfang fällt am schwersten. Da reicht es nicht, wenn ich den Kunden sage, wie es funktioniert, ich muss es schon gemeinsam mit ihnen machen.“ Für einen Keller in dieser Größenordnung müsse sie drei bis vier Mal kommen und bei jedem Besuch vier bis fünf Stunden investieren. Kunden zahlen Bornemann dafür 55 Euro pro Stunde. Die aussortieren Sachen nimmt die Expertin dann mit, spendet oder entsorgt sie, ganz wie die Kunden es wünschen. Das Verkaufen von Sachen ist meist schwieriger umzusetzen. „Oft haben die Menschen eine unrealistische Vorstellung davon, was Sachen noch wert sind. Und dann gehen sie gar nicht weg oder es dauert ewig, bis sie verkauft sind. Bis dahin liegen sie weiter im Keller herum“, sagt Bornemann. Bestes Beispiel: eine Ecke in meinem Keller, in der sich Klamotten stapeln, die verkauft werden sollten. Die Idee der Ordnungsexpertin: Noch ein letztes Mal einen Trödelmarkt zu besuchen, um Klamotten und Spielsachen für kleines Geld zu verkaufen und den Rest danach zu spenden. Klingt gut.
Und so bleiben nach dem Besuch einige Erkenntnisse. Erstens: Ein bisschen weniger penible Ordnung verschafft mir mehr Zeit zur Beseitigung des versteckten Chaos’. Zweitens: Meine bislang unentdeckte Abhängigkeit von Originalkartons muss kontrolliert werden. Und drittens: Ich sollte keine Angst haben, die Abgabe von (fast) vergessenen Dingen irgendwann zu bedauern.
Meinen Kleiderschrank und die Kommoden will ich mir in den nächsten Wochen sukzessive vornehmen. Was ich mit dem Keller mache, weiß ich noch nicht. Erst einmal muss ich dieses Gerät finden, das in einem der Kartons liegen müsste. Damit sollen Fenster streifenfrei sauber werden.