Musik Eine besondere neue Band für Düsseldorf
Düsseldorf · Die Gruppe Kinn hat Prominente dafür gewonnen, ihre Texte in Internet-Videos vorzutragen. Am 15. März wird die Band im Zakk ihr erstes Konzert spielen.
Die Gruppe Kinn nimmt die Abkürzung zum Legendenstatus. Noch bevor sie ihr erstes Konzert gespielt hat, wird sie bereits rezitiert – und zwar von mindestens in Düsseldorf weltberühmten Menschen.
Da steht zum Beispiel Wolfgang Rolshoven, Chef der Düsseldorfer Jonges, in der Altstadt und fragt „Großes Herz, großes Maul, wann gebt Ihr endlich Ruhe?“.
Da sitzt Axel Bellinghausen, Co-Trainer der Fortuna, auf einer Bank in den Bergen und sagt: „Er hat früher hochgespielt, zwangsläufig in sich selbst verliebt, der schafft das.“
Da arbeitet Wagenbaumeister Jacques Tilly an einem Gefährt für den Rosenmontag und sagt: „Die Rebellion frisst ihre Kinder. Danke, dass Du mich vertrittst, denn ich komm bald nicht mehr mit.“
Und da ist der frühere Kunstberater Helge Achenbach und sagt etwas, das hier später noch eine wichtige Rolle spielt.
All diese Szenen sind in Videos auf der Facebook-Seite von Kinn zu sehen. Der Nutzer kennt nun ihre Verse, der Nutzer hört auch ein bisschen Musik, aber mehr kann er noch nicht über die Band wissen. Mehr gibt es erst am 15. März, wenn die Formation ihr erstes Konzert spielt.
Die Musiker, die dann auf der Bühne stehen, hatten es schon einmal zu Halbruhm gebracht: mit der Band Meantime waren sie Mitte der Neunziger recht erfolgreich und unter anderem mit Dee Dee Ramone auf Tour. „War eine geile Zeit“, sagt Gerko Wolfsdorf, in dessen Personalausweis ein nicht ganz so cooler Name steht.
Meantime löst sich irgendwann auf, die Jahre gehen ins Land. Menschen kriegen Kinder, Leute werden komisch. Statt das in sich reinzufressen, wird Gerko Wolfsdorf lieber wieder kreativ. Er ruft den Schlagzeuger von Meantime an, ein Mann, der sich nun Mr. Ree nennt. Die beiden legen zusammen wieder los. Und ihr Projekt namens Kinn wächst.
Es melden sich immer mehr Leute und werden Teil des Projekts
Wolfsdorf spricht mit Tilly, mit Bellinghausen, mit Andi von den Joseph Boys, mit seiner Physiotherapeutin, mit einer Lehrerin und ihrer Klasse. Sie alle zitieren Verse im Internet, die Community wächst. Das Ganze passt zur Intention der Künstler: „Wir wollen eine Art Düsseldorf-Floß bauen, das gegen den Mainstream schwimmen soll“, sagt Wolfsdorf. „Und je mehr Leute mitmachen, desto mehr Spaß...“
Erst wollen die Musiker zu zweit arbeiten, dann kommt ein Bassist dazu. Dann geht ein Bassist und ein anderer kommt (Hille von Hackmack Jackson). Eine Sängerin aus Belgien, ein paar Bläser – es melden sich immer wieder Leute und werden Teil des Projekts.
Gerko Wolfsdorf spricht mit Miguel Passarge, der für die Konzerte im Zakk verantwortlich ist. Eigentlich will Wolfsdorf nur Quatsch machen, als er sagt, Passarge müsse sie mal buchen. Der aber sagt: „Am 15. März habe ich noch was frei.“ Und so wird es nun ein Debüt von Fast-50-Jährigen geben.
Für Gerko bedeutet das eine schlechte Nachricht. Er hatte nie aufgehört, Musik zu machen, aber er wollte kein Proberaum-Musiker und Kneipen-Bespieler mehr sein. Nun muss er wieder in einen Proberaum. „Das ist ein Horror, aber da müssen wir jetzt durch.“ Im Zakk will die Band ein Set mit 12 bis 14 Songs spielen, den ein oder anderen Überraschungsmenschen auf der Bühne haben und ihre Philosophie auf gar keinen Fall aufgeben: „Lieber langweile ich die Leute tot, als irgendwem einen Gefallen zu tun und am Ende noch ,Highway to Hell’ zu spielen“, sagt Wolfsdorf.
Der Mann nennt sein Werk heiteren Dilettantismus. „Ich bin der schlechteste Gitarrist Düsseldorfs. Aber mir wird nachgesagt, dass ich ein ganz guter Songwriter bin.“ Not, Tugend. Wolfsdorf ist frei. Er weiß nicht, was das für eine Tonart ist, in der er da gerade spielt. Die anderen erklären es ihm bisweilen. Die anderen sind auch richtig gut.
Es gibt bei Kinn kaum übliche Songstrukturen. Das macht Wolfsdorf nicht krampfhaft oder um cool zu sein, sondern so purzeln die Dinge aus seinem Kopf. Ein Refrain oder eine Bridge sind selten dabei. „Die Songs führen ihr Eigenleben.“
Das gilt auch für ein Lied, das ursprünglich „Hildegard“ hieß. Helge Achenbach soll die Verse sprechen, aber bei ihm heißt die Angesprochene Dorothee. Gemeinsamkeiten mit dem Namen seiner Ex-Frau sind vermutlich nicht ganz zufällig. Und so gibt es nun einen Kinn-Song, der „Dorothee“ heißt.
Das voraussichtlich letzte Stück des ersten Konzerts ist extra düster. „Danach will keiner eine Zugabe, das verspreche ich Dir.“