Kranker Rentner wohnt seit Monaten in einer Bauruine
Nach einer Kontrolle der Bauaufsicht im April musste bei Winfried Sielaff die Decke gestützt werden. Damit lebt er noch heute.
Düsseldorf. Winfried Sielaff lebt in einer Bauruine — schon seit Monaten. Mitten durch das Wohnzimmer seiner Mietwohnung an der Rather Straße 62 zieht sich eine Kunststoff-Folie, dahinter stützen zwölf massive Stahlträger zwischen Kanthölzern und Bohlen die durchlöcherte Decke zum sechsten Obergeschoss.
Auslöser war vermutlich der Bau von Maisonette-Wohnungen auf dem Flachdach schon vor Jahren. „Wir haben ein Ingenieur-Büro eingeschaltet. Es ist offensichtlich, dass da die Statik nicht richtig berechnet worden ist“, erklärt Katja Weisker, Sprecherin der Deutschen Annington als Eigentümerin der Wohnung Sielaffs — nicht aber der Wohnungen darüber. Konkreter wird die Bauaufsicht. „Die Decken über dem fünften Obergeschoss sind nach Aussage des Statikers vermutlich infolge des auf der ehemaligen Dachdecke belassenen Gefälle-Estrichs und einer gemauerten Innenwand überlastet“, heißt es in einer Stellungnahme, die der WZ vorliegt.
Auch über dem Schlafzimmer des 73-Jährigen liegt die — laut Bauaufsicht im April — „Gefahrenstelle“. Deshalb schläft der an Epilepsie leidende Mann seit Monaten auf einem Provisorium in seinem Arbeitszimmer. Alleine neun bis elf Anfälle habe er seit Februar durch die Belastung gehabt. Normalerweise sei er „gut eingestellt“ — und erleide nur einen Anfall pro Jahr.
Um seine Habseligkeiten vor Dreck zu schützen, hat er Kartons gefüllt, die überall in der Wohnung gestapelt sind. Doch umziehen möchte Winfried Sielaff nicht. „Ich habe die Wohnung vor fast 40 Jahren bezogen.“ Damals war er noch bei der Stadtsparkasse als einstiger Eigentümerin des Hauses angestellt. Entsprechend sahen die Privilegien aus: „Ich kann die Wohnung lebenslänglich nutzen.“
Daran änderten auch die neuen Eigentumsverhältnisse nichts (siehe Kasten). Allerdings lebte Sielaff bis vor fünf Jahren ohne Nachbarn oben drüber. „Dann ist das Flachdach vor Jahren wie ein Grundstück verkauft worden.“ Tatsächlich erteilte das Bauaufsichtsamt am 3. April 2006 eine Genehmigung zur Aufstockung für ein Dachgeschoss mit Spitzboden. Doch nach den ersten Vorarbeiten geschah laut Sielaff nichts mehr. „Da hat es durchgeregnet bis in die zweite Etage.“ Dabei deutet der Rentner auf Flecken in seiner Küche, die daher stammen sollen.
Dann herrschte Ruhe, eine Familie habe zwei Jahre über ihm ebenfalls zur Miete gewohnt — bis sich vor Monaten ein dicker Riss durch die Wohnzimmerdecke gezogen habe. Dann wurde es dramatisch: Im April stand die Bauaufsicht mit einem Statiker auf der Matte.
Bei Sielaff mussten Notabstützungen eingezogen werden, sein Nachbar durfte sogar das Schlafzimmer nicht mehr betreten. Und die Eigentümer der Dachgeschoss-Wohnungen wurden aufgefordert, eine gemauerte Wand abbrechen zu lassen sowie eine geprüfte Statik vorzulegen. Doch der Bauaufsicht fehlte noch mehr: Bescheinigungen über Schall-, Wärme- und Brandschutz. „Die vorzeitig aufgenommenen Nutzungen im sechsten Obergeschoss sind auch deshalb unzulässig“, heißt es. Laut Sielaff lebte die Familie fast zwei Jahre über ihm und musste ihre Siebensachen an einem Wochenende im April auf Anordnung packen.
Am Donnerstag meldeten sich plötzlich Handwerker bei Winfried Sielaff und begannen mit der Stabilisierung einer tragenden Wand, dort, wo die Stützen stehen. Und Annington hat sich gemeldet: „Wir werden Herrn Sielaff die komplette Miete erlassen, von Februar an, bis die Arbeiten beendet sind“, so Weisker.