Künstler setzen am Gerresheimer Rathaus die Segel
Am Neusser Tor lassen „Kunstpiraten“ 50 bunte Fahnen vom Gebäude flattern. Mit der Aktion wollen die Künstler Menschen erreichen, die an klassischen Museen nicht interessiert sind .
Düsseldorf. Sie nennen sich „Piraten“, sehen jedoch nicht wie Seeräuber aus, sondern eher wie brave Bürger. Sie haben auch nichts mit der Piratenpartei gemeinsam. Es sind vielmehr Künstler aus Gerresheim und Freunde aus Duisburg, die von den Museen links liegengelassen und nun selbst aktiv werden. Sie haben eine beispielhafte Initiative entwickelt, die in einem richtigen Schaustück gipfelt.
Beim geringsten Wind werden jeweils 25 Fahnen auf jeder Seite des denkmalgeschützten Gerresheimer Rathauses emporgehoben, blähen sich wie Schiffssegel auf und fallen dann in sich zusammen. Die Passanten auf dem Platz am Neusser Tor sowie die Gäste in einer Eisdiele klatschen dann spontan. „Bravo“, sagt Tanja Krahm. Es ist gut, wenn Künstler auf sich aufmerksam machen. Es geschieht ja sonst immer weniger in der Kultur. Selbst der Gerresheimer Kulturbahnhof dümpelt vor sich hin.“
Dorothee Büsse nennt ihren Zusammenschluss „Haltepunkt Düsseldorf-Gerresheim“, denn ursprünglich kämpfte die Gruppe um das Bahngebäude an der Heyestraße, das tatsächlich nicht abgerissen wurde. Inzwischen gründeten sie eine Stadtteilfreundschaft mit Duisburg-Ruhrort und nahmen den Direktor des Binnenschifffahrts-Museums mit ins Boot. Der wiederum fädelte eine Kooperation mit dem Lenkungskreis Rhein-Herne-Kulturkanal ein. Mit jedem Zusammenschluss wurde die Gruppe mutiger. Ihr aktuelles Ziel ist es, den öffentlichen Raum als Ausstellungsfläche zu kapern.
„Das war nicht einfach“, sagt ihr Mitstreiter Gert Blankenstein. Zumindest in Gerresheim nicht. Denn das Bezirksrathaus steht unter Denkmalschutz. Um dort etwas an der Fassade anzubringen, mussten das Amt für Denkmalschutz und das für Gebäudemanagement gefragt werden. Schließlich bestätigte das Kulturamt, dass diese „Piraten“ weder rechts- noch linksradikale Inhalte vertreten und auch keine jugendgefährdenden Themen behandeln.
(Wenn der Wind unter die bunten Fahnen am Rathaus Gerresheim greift, blähen sich die Stoffe wie Segel auf einem Segelschiff. Foto: S. Lepke)
Vor wenigen Tagen stieg der Duisburger Künstler Theo K. (so sein Künstlername), der zugleich Dachdecker ist, dem Bezirksrathaus aufs Dach. Zwei Tage lang turnten zwei seiner Mitarbeiter der Bezirksverwaltungsstelle auf dem Kopf herum. Die Fahnen hatten die Kulturaktiven vorher bemalt oder bedruckt, mit Ösen für alle vier Ecken versehen und mit Kunststoffrohren an den Enden des Saums beschwert. „Wir kämpfen dafür, dass der öffentliche Raum nicht nur für die Wirtschaft und ihre Werbemittel bereitsteht, sondern auch für Kunstaktionen. Wir kommen in die großen Häuser nicht rein. Aber es ist auch ein tolles Abenteuer, neue Ausstellungsräume zu entdecken und zu erschließen.“ So erklärt Dorothee Büsse. Man wolle nun Menschen ansprechen, die vielleicht gar nicht ins Museum gehen.
Die Flaggen durchbrechen Sehgewohnheiten, machen aus einem steinernen Bau eine bewegte Fassade. Sie zeigen Bilder von einem Protzbau, in dessen Dachspitze die gekreuzten Knochen als Zeichen der Piraten zu sehen sind. Es steigt auf einer Fahne aber auch der Rauch wie bei Indianern auf.
Und was sagt die Kunstkommission dazu? Dürfen die Gerresheimer das? „Natürlich dürfen die das“, sagt der Sprecher Jörg-Thomas Alvermann und erklärt: „Wir Künstler beraten ja nur, und wir handeln in einem öffentlichen Auftrag. Temporäre Aktionen sind immer willkommen.“ Nach Meinung der Gerresheimer gehöre der öffentliche Raum der Öffentlichkeit. Und da die Fahnen unterm Dach flattern, machen sie auch niemandem die Freifläche streitig.
Info: Am Freitag, 22. Juni 2018, wird von 18 bis 22 Uhr ein kleines Grillfest unter den „Piratenflaggen“ gefeiert. Jedermann ist willkommen.