André Kaczmarczyk: Voller Leidenschaft zum Publikumsliebling am Düsseldorfer Schauspielhaus
André Kaczmarczyk ist am Düsseldorfer Theater zum Shooting-Star avanciert. Mit enormer Präsenz verkörpert er Rollen wie Valentine, Fabian oder jetzt Caligula.
Düsseldorf. Sieben Tage — nicht sieben Köpfe, sondern immer derselbe Kopf. André Kaczmarczyk, der 31-jährige Schauspieler, der im Düsseldorfer Schauspielhaus auf Höchsttouren läuft, singt und tanzt, hat eine Bühnenpräsenz wie nur wenige. In anderthalb Jahren ist er in Düsseldorf zum Shooting-Star avanciert.
Manchmal sieben Tage hintereinander, in verschiedenen Rollen. Als „Idiot“ in Dostojewskis gleichnamiger Roman-Bühnenfassung, als swingender Großstadt-Melancholiker Fabian in Kästners „Fabian — oder der Gang vor die Hunde“ oder als sinnlich teuflischer Valentine im David-Bowie-Musical „Lazarus“. In unregelmäßigen Abständen gar in „Jeff Koons“, einer szenischen Installation, die Kaczmarczyk auch selbst — gemeinsam mit dem Assistenten Felix Kracke inszeniert hat.
Wie ist so ein Pensum zu schaffen? Ist Kaczmarczyk süchtig nach Theater? Wie lange hält man das überhaupt durch? „Das frage ich mich manchmal selbst“, sagt der Schauspieler und lacht. Die Anstrengung, die macht ihm sichtlich Spaß, scheint sein Lebenselixier. Obwohl er nur noch zum Schlafen nach Hause gehe, in seine schöne Wohnung in Düsseldorf-Flingern. Dort könne er schnell den Akku wieder aufladen, runterkommen von der Hochspannung. Für ein Privatleben bleibt kaum Zeit. Lächelnd kommt die Antwort, sie klingt ehrlich.
Ein Blick auf den Spielplan beweist es: Der nächste Brocken steht vor der Tür: Wir erwischen den auch von Regisseuren begehrten Mimen in einer Probenpause — zu Albert Camus’ „Caligula“. Darin geht es um den jungen römischen Kaiser, der von Allmachtsfantasien befallen ist, in einen Gewaltrausch gerät und den die Römer später stürzen wollen. Premiere im Düsseldorfer Central ist am kommenden Samstag. Wieder einmal wirft sich der Mann aus deutsch-polnischem Elternhaus mit Leib und Seele in die Titelrolle dieser „Tragödie der Erkenntnis“.
Auf dem Caligula-Vorab-Foto liegt André Kaczmarczyk nackt und blutbeschmiert auf einem Pferderücken. „Sich mit dem Körper in eine Rollen hineinschmeißen“, erklärt er sein Theaterverständnis. „Schauspiel, das ist für mich eine sehr leibliche Angelegenheit.“
Besonders in Kästners „Fabian“, in dem er zweieinhalb Stunden unentwegt auf den Brettern steht, swingt und steppt, wird seine Kondition extrem gefordert. „Sich austoben, an sich selbst erschöpfen“, kommentiert er die Partie, die ihn am meisten anstrengt. Die Rolle, die ihm europaweite Anerkennung auch als Tänzer und Sänger bescherte, ist aber der Todesengel Valentine im Lazarus-Musical. Diesen Serienkiller habe er mit Regisseur Matthias Hartmann zu einer schillernden Gender-Bender-Figur entwickelt, in durchsichtigen Hosen, mit bronziertem Haar und auf High-Plateau-Heels. Eine Mischung aus Dämon und Diva, die Kaczmarczyk so verführerisch über die Rampe bringt, dass seit Wochen fast alle nach der Vorstellung nur noch von ‚Valentine’ und kaum noch der Bowie-Titelfigur ‚Lazarus’ sprechen.
Für diese Kunstfigur sitzt André Kaczmarczyk knapp eine Stunde in der Maske. Denn seine gelockten, naturdunkelbraunen Haare werden rötlich bronzierend mit einer Bürste eingefärbt. Dennoch gibt es für ihn keine Lieblingsrolle, sagt er lakonisch. Noch weniger träumt er von Rollen. „Sie kommen zu mir, zum richtigen Zeitpunkt.“
Der gebürtige Eisenacher, den Intendant Wilfried Schulz als junge, aber schon so herausragende Theater-Persönlichkeit von Dresden mit an den Rhein brachte, wirkt entspannt und freundlich im Gespräch. Einen Kaffeebecher in der Hand, auf dem Kopf eine Schapka-Pelzmütze mit Ohrenschützern — wie man sie einst von Honecker kennt. „Die wärmt und hält meinen verwirrten Geist zusammen“, scherzt er selbstironisch. Kaczmarczyk trägt Smokingjacke und Pumphosen. Die trägt er gerne. Bei anderen mag das wie eine aufgesetzte Selbst-Inszenierung ausschauen. Bei dem 31-Jährigen wirkt das altmodische Outfit echt, erinnert an einen Romantiker, einen Mann aus einer anderen Zeit.
Kein Zufall war’s vermutlich, dass er vor zehn Jahren bereits in Märchenfilmen eingesetzt wurde — als Märchenprinz oder König. Geschätzt wird seine höflich zuvorkommende Art auch von Kollegen. Obwohl er als Workaholic verschrien sei. „Diese Saison ist schon extrem herausfordernd und spannend“, gibt er zu. Konzentriert reagiert er auf jede Frage, kommt auf den Punkt. Und schaut nicht, wie viele seiner Generation, nervös auf ein vibrierendes Smartphone.
Dass er vom Theater nicht genug bekommen kann, beweist ein neues Musik-Projekt, bei dem seine intensive, einflüsternde Rattenfänger-Stimme, die man beim ersten Ton wiedererkennt, zum Einsatz kommt. Zum Ende der Spielzeit wird Kaczmarczyk mit Musiker Johan Leenders ein Liederprogramm kredenzen. Chansons, Pop, Schlager und Kunstlieder — alles, was dem einstigen Märchenprinzen gefällt. Man darf gespannt sein.