Frau Grundmeier, Sie sind ab dieser Saison neu im Dramaturgenteam der Deutschen Oper am Rhein. Welche Stationen gab es vorher und wie kam es zu der Tätigkeit als Dramaturgin?
Interview Sie ist die neue Dramaturgin an der Oper
Düsseldorf · Anna Grundmeier war seit 2010 Dramaturgin am Musiktheater im Revier Gelsenkirchen. Zu dieser Saison ist sie nach Düsseldorf gewechselt.
Anna Grundmeier ist seit der Spielzeit 2018/19 Dramaturgin an der Deutschen Oper am Rhein. Wir stellen sie vor.
Anna Grundmeier: Ich komme eigentlich aus einem ganz unmusikalischen Haushalt, bin dann allerdings mit 16 Jahren über meinen Wunsch, Gesangsunterricht zu nehmen, in den Philharmonischen Chor in Essen gekommen. Das hat mich sehr begeistert, ich bin dann auch in den Extrachor gewechselt – und war übrigens auch hier an der Deutschen Oper am Rhein im Extrachor für ein paar Jahre. Als es an der Zeit war zu entscheiden, was ich beruflich machen möchte, habe ich überlegt, was ist mein Talent, und das war der Umgang mit Sprache und Text, und was ist mein Interesse, und das war Kultur und Oper. Als logische Konsequenz daraus habe ich mich dazu entschieden, Germanistik und Theaterwissenschaft zu studieren.
Wie ging es dann weiter?
Grundmeier: Parallel zu meinem Studium an der Ruhr-Universität-Bochum habe ich verschiedene Praktika gemacht, zum Beispiel auch an der Deutschen Oper am Rhein, aber auch dann nach dem Studium an der Staatsoper in Berlin. Während dieser Zeit habe ich das Stellenangebot für die Dramaturgieposition am Musiktheater im Revier gesehen. Es war, als wäre die Stelle für mich geschrieben worden. Ich habe dann für die nächsten acht Jahre dort gearbeitet.
Wenn Sie zurückblicken, was waren die Höhepunkte in diesen acht Jahren dort?
Grundmeier: Das Besondere am Musiktheater am Revier ist, dass es ein sehr vielseitig aufgestelltes Repertoire hat. Das habe ich immer sehr gemocht. Im Opernbereich waren meine Highlights sicherlich „Hoffmanns Erzählungen“ und die Uraufführung der Yves-Klein-Oper „Sprung in die Leere“ Aber ich kann nicht verhehlen, dass auch die Entwicklung des Schalke-Oratoriums „Kennst du den Mythos...?“ zum 111. Jubiläum des FC Schalke 04, an der ich intensiv mit dem Team mitgearbeitet habe, ein echter Höhepunkt für mich war.
Schwenken wir den Blick nach Düsseldorf. Sie haben hier ja schon ganz aktiv losgelegt mit der „Götterdämmerung“. Wie sind Ihre ersten Eindrücke hier?
Grundmeier: Ich war diesem Haus schon vorher vielfältig verbunden, da ich hier eine Dramaturgiehospitanz bei „La Wally“ gemacht habe. Außerdem habe ich zwei Jahre in der Opernbibliothek gearbeitet und im Extra-Chor gesungen und hatte immer einen sehr positiven Eindruck von dem Miteinander hier am Haus. Als ich mich auf die Stellenausschreibung beworben habe, hatte ich daher schon ein bisschen das Gefühl, willkommen zu sein. Ich habe dann die Chance bekommen, diese Stelle anzutreten und kurz vor Spielzeitende – da war ich noch in Gelsenkirchen – erfahren, dass ich die „Götterdämmerung“ übernehmen soll. Das kam für mich relativ spontan. Eigentlich war geplant, dass ich das ganze erste Jahr zur Eingewöhnung habe.
Wie kam es zu diesem Umstand?
Grundmeier: Vielleicht war es eine Art Feuerprobe. Über die Ferien habe ich mich in diesen schier unendlichen Materialkosmos zum „Ring des Nibelungen“ einzufinden versucht. Ich habe einen großen Respekt vor dem Universum, das Wagner geschaffen hat, aber auch vor dem, was Dietrich Hilsdorf in den zwei vergangenen Jahren bereits geleistet hatte. So waren meine Sorgen zunächst auch sehr groß, im Nachhinein ist man aber dann doch dankbar für so eine Erfahrung. Es war sozusagen eine Integration im Schnelldurchlauf. Ich kannte Dietrich Hilsdorf noch aus Gelsenkirchen – zwar hatte ich nie mit ihm gearbeitet, aber er konnte sich noch daran erinnern, dass wir in Gelsenkirchen mal Erdbeerkuchen miteinander gegessen haben. So hatten wir gleich einen Draht zueinander.
Was ist hier anders als in Gelsenkirchen?
Grundmeier: Düsseldorf ist ein Haus von etwas klassischerem Zuschnitt in der Repertoiregestaltung. Daher ist die Art des Arbeitens hier eine ganz andere, die Beschäftigung mit dem historischen und musikwissenschaftlichen Hintergrund eines Stückes beispielsweise viel intensiver, als es in Gelsenkirchen der Fall war. Das hat – glaube ich – auch mit der Stadtstruktur zu tun. In Gelsenkirchen gab es eine größere Durchmischung mit dem Unterhaltungstheater. Das Publikum hier ist jedoch ebenfalls wahnsinnig wach und offen.
Sie sprechen von wissenschaftlichem Arbeiten; können Sie uns skizzieren, wie die tägliche Arbeit einer Dramaturgin aussieht?
Grundmeier: Das ist relativ klar zu umreißen. Wir schreiben die Programmhefte; darüber versuchen wir, dem Zuschauer etwas an die Hand zu geben, mit dem er sich dann in der Opernvorstellung orientieren kann. Wir schreiben die Übertitel, das ist auch viel mehr Arbeit, als man denkt. Wir geben die Einführungen, halten Werkstattgespräche. Das sind auch die Teile des Berufes, die heute fundamental wichtig sind, weil es eine große Chance gibt, dem Publikum die Inhalte nahe zu bringen. Es gibt einem die Möglichkeit, die Menschen abzuholen. Ich habe zum Beispiel bei der „Götterdämmerung“ vor allem über den Rhein gesprochen und seine mythenpolitische Bedeutung in der deutschen Geschichte, weil das für Dietrich Hilsdorfs Konzept viel gewinnbringender war, als wenn ich Bezüge zu Thomas Mann oder Adorno hergestellt hätte. Und schließlich gibt es den zweiten großen Teil im Dramaturgen-Alltag – der für die Zuschauer eigentlich unsichtbar bleibt – und das ist die inhaltliche Partnerschaft mit dem Regisseur.
Wie sieht diese Partnerschaft aus?
Grundmeier: Man trifft sich im Vorfeld mit dem Regisseur und bespricht dessen Ideen. Diese beginnt man dann, miteinander zu schärfen. Später bei der Probenarbeit ist man das Korrektiv, das dem Regisseur spiegelt, welche seiner Ideen funktionieren und an welchen Schrauben er noch einmal drehen sollte. Man versucht, immer gemeinsam mit ihm einen Weg zu finden, seine Ideen möglichst schlüssig auf die Bühne zu bringen. Grundsätzlich gilt für mich jedoch die alte Dramaturgen-Regel: Wenn man das Original-Stück dekonstruiert, sollte man eine sehr gute Begründung dafür haben. Zudem hat jeder Regisseur seine eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse, welche Form von dramaturgischer Begleitung er benötigt und wie intensiv.
Was werden Ihre nächsten Produktionen sein?
Grundmeier: Ich habe gerade die Düsseldorfer Premiere von „Maria Stuarda“ begleitet, ansonsten betreue ich zwei Kinderopernproduktionen, „Gold!“ und „Nils Karlsson Däumling“. Die Vielseitigkeit macht den Job so spannend.