Museum Kunstpalast Ausstellung „Black and White“ - Wie Schwarz und Weiß das Auge täuschen

Die Ausstellung „Black and White“ im Düsseldorfer Museum Kunstpalast trumpft ausgerechnet mit Werken ohne Farbe auf. Sie führt von Dürer bis zu Elliasson.

Foto: bpk /The Metropolitan Museum of Art

Düsseldorf. „Black & White“, „Schwarz und Weiß“ ist eine zugleich lehrreiche und lustvolle Schau im Düsseldorfer Museum Kunstpalast, die aus einer Kooperation mit der Nationalgalerie in London entstanden ist. Sie vereinigt erstmals die wichtigsten Trends zur Geschichte der farblosen Kunst vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Dabei überprüft sie auf Schritt und Tritt das Wahrnehmungsvermögen des Betrachters, der angesichts der aktuellen Farbenflut sein Auge schulen muss. Immer wieder ertappt er sich dabei, die Bilder anfassen zu wollen, die dank ihrer täuschenden Illusion an 3D-Drucke erinnern.

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Dass es sich um raffiniere Tonabstufungen und nicht um Reliefs handelt, erkennt man oft erst auf den zweiten Blick. Die Künstler dieser Schau sind an Virtuosität im Umgang mit Licht und Schatten kaum zu überbieten. Seit mehr als 500 Jahren streiten sie sich, ob Maler, Bildhauer oder neuerdings Fotografen die besseren Künstler sind. Im Schwarz-Weiß können sie blitzschnell die Gattungen überspringen.

Im Mittelalter steht das Grau für die Askese in den Klöstern. Seit der Renaissance geht es immer auch um die Autonomie der Kunst, die sich im Schwarzweiß brillant demonstrieren lässt. Marten Jozef Geeraerts etwa imitiert täuschend „echt“ ein Marmorrelief, wobei ein Kind einer Ziege die Maske eines alten Mannes entgegenhält, geht es doch gleichsam ums Maskenspiel.

Albrecht Dürer benötigte für seine Gewandstudie des Gottvaters (1508) lediglich einen feinen Pinsel für Schwarz, Grau und etwas Deckweiß. Das grüne Papier als Untergrund aber trügt das Auge, denn der Betrachter hält es für die Kutte selbst.

Jeder spielt mit jedem in dieser Schau. So gibt es die „Küchenmagd“ (1739) von Jean-Siméon Chardin aus dem Louvre. Drei Jahre später macht Lepicié daraus einen Stich (seitenverkehrt, versteht sich). Abermals 38 Jahre später knöpft sich Etienne Moulinneuf die Küchenmagd vor, kopiert im Gemälde die Druckgrafik, aber fügt noch eine gesprungene Scheibe hinzu. Der Betrachter glaubt, in der Illusionsmalerei einen Transportschaden zu entdecken.

Aus der Eremitage kommt ein Großformat von Hendrik Goltzius (1606). Hier zeigt der Kupferstecher, dass in ihm ein ebenso berühmter Maler steckt. Mit brauner Tinte und roter Kreide suggeriert er einen Stich. Und da er stolz auf seine Fähigkeiten ist, stellt er sich gleich neben die Götter Venus, Bacchus und Ceres. Gustave Moreau treibt das grausame Spiel mit dem von Pferden zerfleischten Diomedes, indem er nur die monochrome Untermalung präsentiert. Warum soll er den Schimmel malen, wenn das Weiß des Untergrunds schon existiert?

„Odaliske in Grisaille“ (1824/34), eine Figur mit überlangem Rückgrat, steht im Mittelpunkt. Ganz verzichtet ihr klassischer Maler Jean-Auguste-Dominique Ingres jedoch nicht auf die Farbe. Er bettet den makellosen Körper auf ein Tuch in pudrigem Rosé und fügt dem Ohr wie der Lichtkante des Vorhangs ein Rosarot hinzu. Dem Düsseldorfer Museumschef Felix Krämer gelingt ein Coup, indem er sich von einem rheinischen Privatsammler eine nackte Liegende („Nu Couché“, 1970) von Picasso entlieh. Ein Weib, das fast den Rahmen des Bildes sprengt. Die Posen ähneln denen von Ingres, doch Picasso malt sich in diesem kraftvollen Akt seine Angst vor Alter und Tod von der Seele.

Im Gegensatz zu London gibt es in Düsseldorf auch ein Foto-Kabinett. Hier überrascht Helmar Lerski (1871-1956), ein Schweizer Fotograf, Kameramann und Filmregisseur, der sein Modell in die pralle Sonne stellte. Licht und diverse Reflexionen verwandeln das Gesicht in eine Holzskulptur.

An der Stirnwand des ersten Saals begrüßt der Fotorealist Chuck Close mit einem scheinbar gepixelten Großformat. Beim Nähertreten lösen sich die Pixel in gefüllte Raster auf. Zur Erklärung wird ein Schwarzweiß-Polaroid samt Klebestreifen und Zahlen beigefügt, um zu beweisen, wie genau der Maler das Foto seines Freunds abgepinselt hat.

Die Schau verlässt häufig die Chronologie, um zu überraschen. Da taucht ein Mini des Dänen Peder Balke auf. Der Maler hat um 1862 auf einem Hölzchen etwas Schwarz und Weiß aufgetragen und mit den Fingern verwischt. Das Ergebnis ist eine Sturmlandschaft, die an ein Foto denken lässt.

An Gerhard Richters grauen Inkunabeln wie „Helga Matura mit Verlobtem“ (1966) und an Werken der Zero-Künstler vorbei geht es durch eine Tür zum „Haus des Sammlers“ — Hans Op de Beeck. Alles ist farblos, die Figuren, die Möbel, das Bücherzimmer. Ja sogar Monets weiße Seerosen schwimmen auf schwarzem Glas. Im gedimmten Licht über einer abgehängten Decke ist alles so ausgelotet, dass es keinen Schatten gibt. Grau schluckt alles. Aus diesem Milieu wird der Besucher durch Olafur Eliasson ins gelbliche Nirgendwo entlassen. Der Künstler verwandelt den Durchgang mit Monofrequenz-Lampen, so dass auch hier alle Farben auf den Kleidungsstücken der Besucher absorbiert werden.

Das Grau, so zeigt sich, ist nicht nur hoffnungslos, sondern voller Überraschungen.