Kabarett Bei Richling in Düsseldorf ist der Papst homosexuell und verheiratet
Düsseldorf · Im Kom(m)ödchen verspricht Mathias Richling eine humoristische Reise in die Zukunft. Die meiste Zeit parodiert er sich aber durch das aktuelle Zeitgeschehen.
Auf der Bühne befinden sich lauter Kästen aus Cellophanfolie, auf denen ein Auge gedruckt ist. Über eine Leinwand flimmert ein Video von Menschenmassen in einer Fußgängerzone. Das Setting wirkt billig und plakativ. Unschwer zu erkennen, um was es geht: die gläserne Gesellschaft. Star-Kabarettist Mathias Richling setzt sich in seinem aktuellen Programm mit George Orwells Roman „1984“ auseinander – zumindest verspricht das der Titel: „Richling und 2084“.
Die Reise in die Zukunft nimmt im Programm nur wenig Platz ein
Doch der 65-jährige Humorspezialist kann das Versprechen bei seinem Auftritt im Kom(m)ödchen nicht halten. Orwells Buch schildert die düstere Zukunftsvision eines totalitären Überwachungsstaates. Es handelt aber auch von Personenkult (der nicht-sichtbare, aber alles sehende „Große Bruder“), der permanenten Manipulation von Geschichte und der Einführung einer neuen simplen Sprache. Nicht von ungefähr avancierte die 1948 verfasste Negativ-Utopie in den letzten Jahren zum Bestseller, vor allem in den USA. Doch längst gilt das einstige Science-Fiction-Szenario des englischen Schriftstellers als Realität. Richling ist das bewusst und simuliert eine neue Zukunft: er blickt 66 Jahre voraus. Dazu schlüpft Richling in die Rolle der greisen Angela Merkel und berichtet vom neuesten Milliardenpaket für Griechenland, von der Forderung nach einer gesetzlichen Männerquote in Führungspositionen oder vom neuen Papst, der nun homosexuell und verheiratet sei. Die Reise in die Zukunft dauert aber nur zehn Minuten von insgesamt fast zwei Stunden. Dabei wäre ein humoristisches Science-Fiction-Szenario reizvoll gewesen. Schade!
Der schwäbische Spaßmacher bleibt lieber bei seinen Leisten. Vor vollem Saal nimmt er das gegenwärtige Zeitgeschehen aufs Korn. So, wie er es seit rund 30 Jahren auf Theaterbühnen und in Fernseh-Shows vollführt: Quirlig und mit unbändigem Redefluss verwandelt er sich in eine Promi-Figur nach der anderen, in Düsseldorf allerdings nur stimmlich. Die Maskierungen und Verkleidungen ersetzt der Kabarettist durch Fotos, die er auf die Leinwand projizieren lässt.
Kaum jemand, der nicht vorkommt: Von der Bundeskanzlerin über Trump und Macron bis hin zu Franz Beckenbauer und Martin Luther. Richlings Imitator-Qualitäten sind allerdings begrenzt. Angela Merkel oder Jogi Löw etwa kriegt er nur gestisch und mimisch hin. Putin legt er ein klischeehaftes Russisch in den Mund - so beim Vorwurf, die US-Wahl manipuliert zu haben: „FBI und CIA und NSA bestätigen das, damit sie nicht missän zugäbän, dass amerikanische Volk in freie Wahl und geistige Umnachtung zum Präsidenten gewählt hat einän Debilen.“
Absolut überzeugend mimt Richling aber Andrea Nahles, die eine Totenrede auf die SPD hält, Horst Seehofers Einschätzungen zu den rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz und Köthen („Chemnitz und Köthen ist ja nix wie ein Freizeitpark, wo man die Brutalitäten und Grausamkeiten der Nazi-Zeit noch einmal live nacherleben kann in einer Light-Version“) oder Undercover-Journalist Günter Wallraff, der deutsche Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien aufdeckt, über die aber schon alle Tageszeitungen berichtet haben. Wallraffs Zeugen lässt Richling in verpixelten Bildern aufscheinen oder imitiert sie mit völlig vernuschelten Aussagen. Eine amüsante Parodie auf die fragwürdigen Methoden des Investigativ-Reporters. Auch witzige Einfälle finden sich, etwa wenn Ursula von der Leyen in Horst Lichters Trödel-Show „Bares für Rares“ Nazi-Devotionalien verkaufen will, damit die Bundeswehr nicht mehr so braun aussieht. Trotz aller Schwächen ein mitreißender und besuchenswerter Auftritt.
Mathias Richling tritt mit seinem Programm „Richling und 2084“ am Donnerstag noch einmal im Kom(m)ödchen auf. Beginn: 20 Uhr. Adresse: Kay-und-Lore-Lorentz-Platz. Tickets gibt es telefonisch unter 32 94 43, an der Theaterkasse oder im Netz.