„Düsseldorf ist für mich ein Lottogewinn“
Stefan Fischer-Fels will eine Bürgerbühne in der Stadt aufbauen. Der Theaterleiter kehrt zurück an die Münsterstraße.
Düsseldorf. Stefan Fischer-Fels kommt zurück. Düsseldorf statt Berlin, Stadttheater statt Grips Theater. Fischer-Fels übernimmt 2016 erneut die Leitung am Jungen Schauspielhaus, das er von 2003 bis 2011 bereits erfolgreich geführt hat, und will mit seinem Co-Leiter und Freund Christof Seeger-Zurmühlen eine Bürgerbühne aufbauen.
Herr Fischer-Fels, der zukünftige Intendant Wilfried Schulz hat Sie zurück nach Düsseldorf geholt. Kennen Sie sich schon lange?
Fischer-Fels: Nein, wir kennen uns gerade mal zwei Monate. Wir haben uns getroffen, um über Düsseldorf zu reden und festgestellt, dass wir gemeinsame Vorstellungen von Theater haben. Und plötzlich stand die Frage im Raum: Warum machen wir das nicht zusammen?
Die Zusammenarbeit mit dem Gründer des Grips Theaters, Volker Ludwig, lief von Anfang an nicht rund. Waren Sie in Berlin bereits auf dem Sprung?
Fischer-Fels: Nicht auf dem Sprung, aber schon empfänglich für so eine Anfrage. Ich hatte in Berlin ja einen Vertrag bis 2018 und wollte das auch durchziehen.
Wie haben Sie auf das Angebot aus Düsseldorf reagiert?
Fischer-Fels: Ich habe Volker Ludwig gefragt, ob meine Wahrnehmung richtig ist, dass er eigentlich gar nicht mit mir arbeiten möchte. Das hat er mir bestätigt. Und dann habe ich ihn gebeten, meinen Vertrag vorzeitig aufzulösen. Die Alternative, im Team von Wilfried Schulz zu arbeiten, den ich für einen der spannendsten Theatermacher der Gegenwart halte, und dann auch noch mit Christof Seeger-Zurmühlen, meinem Kollegen und Freund, mit neuen Impulsen aus Berlin im Gepäck — da wäre ich ja wahnsinnig, wenn ich das nicht machen würde.
Ist Düsseldorf nicht ein Rückschritt?
Fischer-Fels: Es ist für mich eher wie ein Lottogewinn.
Sie wollen eine Bürgerbühne aufbauen.
Fischer-Fels: Ich beschäftige mich in meiner künstlerischen Arbeit schon immer damit, wie man Jugendlichen oder Kindern, jungen und älteren Bürgern, eine Stimme auf der Bühne gibt. Kindertheater und Bürgerbühne haben für mich sehr viel miteinander zu tun.
Was ist eine Bürgerbühne?
Fischer-Fels: Es ist professionelles Theater mit nichtprofessionellen Darstellern. Es ist nicht Laientheater, und es ist auch kein Jugendclub. Sondern: Bürger betreten die Bühne ihres Stadttheaters und erzählen als Experten von den brennenden Themen der Gesellschaft, von ihren Themen.
Was wird gespielt?
Fischer-Fels: Repertoirefähige Stücke, gespielt von Bürgern der Stadt zu Themen, die man in dieser Stadt findet. Der Bürger als Akteur. Der Witz daran ist, dass das Schauspielhaus alle Ressourcen der Theatermaschine wie bei einem „Hamlet“ in Bewegung setzt, um dieses Stück zu produzieren.
Das können Klassiker sein?
Fischer-Fels: In Dresden gab es einen „Faust“ mit Männern in der Midlife Crisis. Die Bürgerbühne ist für mich die größte Innovation der vergangenen Jahre am Theater. Bürgerbühnen werden zurzeit überall gegründet, in ganz Deutschland und Europa.
In der Inszenierung „Die Ratten“ stehen zurzeit alleinerziehende Frauen aus Düsseldorf auf der Bühne. Ist das nicht auch Bürgerbühne?
Fischer-Fels: Es gibt Wurzeln der Bürgerbühne. Regisseure und Teams wie Lösch, Pollesch und Rimini Protokoll haben ganz viel damit zu tun.
Sie kennen die Düsseldorfer und das Düsseldorfer Theaterpublikum. Glauben Sie, dass sich die Bürger auf eine Bühne stellen, um ihre Themen öffentlich zu verhandeln?
Fischer-Fels: Es ist erst einmal eine Einladung. Wahrscheinlich denkt man, Laien auf der Bühne, das kann auch langweilig oder peinlich sein. Es braucht brennende Themen, mutige Bürger und kluge Konzepte, dann ist es ein künstlerisches und kein sozialpädagogisches Ereignis.
Wie häufig soll das auf dem Spielplan stehen?
Fischer-Fels: Erstmal wollen wir drei Produktionen pro Jahr realisieren. Aber das ist nur der Anfang. Bürgerbühne ist ein Motor, die Stadt mit dem Theater zu verknüpfen. Unsere Gesellschaft atomisiert sich ja im Augenblick. Und da kann das Theater Lust machen, sich mit dem Fremden, dem Anderen zu beschäftigen. Das ist ein Thema für eine Stadtgesellschaft, die nicht auseinanderfallen möchte.
Wo wird die Bürgerbühne angesiedelt sein?
Fischer-Fels: Ich sehe die Münsterstraße als Basis für Kinder- und Jugendtheater und Bürgerbühne. Und ich sehe die Möglichkeit, in dem Team mit Schulz, dass wir unsere Fühler zum Gründgens-Platz und in die Stadt hinein ausstrecken. Seeger-Zurmühlen ist ja auch ein Meister im Aufspüren von ganz anderen Orten. Utopisch gesagt: Jedes Projekt sucht seinen Ort.
Die Künstlerische Leitung von Jungem Schauspielhaus und Schauspielhaus am Gründgens-Platz soll enger verbunden werden.
Fischer-Fels: Meine dritte Aufgabe ist, Teil der Gesamtleitung zu sein. Der Fischer-Fels, der von Düsseldorf wegging, war Leiter einer autonomen Sparte Kinder- und Jugendtheater weit weg vom Zentrum der Stadt. Jetzt denken wir ein Düsseldorfer Schauspielhaus gemeinsam, um gemeinsam die Stadt wieder zu erobern.
Was sind dabei Ihre Stärken?
Fischer-Fels: Was ich einbringen kann, sind zum Beispiel Autorenkontakte, neue spannende Regisseure und internationale Vernetzungen. Mein Stichwort zu Letzterem ist „Theater als Weltempfänger“. Und natürlich das, was wir in Berlin als partizipative Projekte entwickelt haben, da kann man einiges mit der Bürgerbühne verknüpfen.
Seeger-Zurmühlen hat das Junge Schauspielhaus in dieser Spielzeit wieder zu einem gut besuchten Theater gemacht. Wie werden Sie die Aufgaben aufteilen?
Fischer-Fels: Mein Wunsch ist, dass wir partnerschaftlich Kinder- und Jugendtheater und Bürgerbühne bearbeiten. Ich möchte ihn als ganz wichtigen Partner in der Leitung des Kindertheaters haben, und er soll auch das Gesicht der Bürgerbühne sein.
Kann ein solch schneller Umschwung am Schauspielhaus insgesamt gelingen?
Fischer-Fels: Dafür werden wir hart arbeiten. Im Jungen Schauspiel hängt der Erfolg auch mit der Person Seeger-Z. zusammen. Er ist in der Stadt bekannt und vernetzt. Man hat ihn als Schauspieler geliebt, er war der Star der Schulhofe. Und er hat gute Leute geholt und gute Ideen.
Schulz wird als Heilsbringer erwartet, kennt Düsseldorf aber nicht so gut wie Sie.
Fischer-Fels: Auch deswegen verbünden wir uns ja. Ich bin sehr vorsichtig damit, dass ich die Stadt kenne. Ich weiß nur viel besser, was ich jetzt kennenlernen möchte. Mein Blick ging damals zu wenig in die Stadtgesellschaft hinein. Unser gemeinsamer Anlauf wird viel mehr in die Stadt gehen. Das wird Spaß machen. Am Ende geht es uns um hohe künstlerische Qualität.