Kunst in Düsseldorf Dann kuratieren sie eben selbst

Die Zeit der Ich-Künstler ist vorbei: Düsseldorfer Maler und Fotografen kuratieren für Kollegen. Ein Besuch in Kunsträumen der Stadt.

Die Künstlergruppe „Sonneundsolche“ an der Birkenstraße 44: Pia Krajewski, Antonia Rodrian und Antonia Freisburger (v. l.).

Foto: Anne Orthen (orth)

Bis 1993 war die Funktion eines Kurators wenig bekannt. Doch dann ließ sich der Ausstellungsmacher Stephan von Wiese vom Landesarbeitsgericht seine Sachkompetenz bestätigen, die höher zu bewerten sei als die Meinung seines Museumsdirektors. Von Wiese wollte die Besucher im Düsseldorfer Kunstmuseum mit dem antimilitaristischen Frühwerk von Gert Wollheim begrüßen, während der damalige Leiter Hans Albert Peters dieses Konzept verwarf. Das habe er nicht gedurft, der Eingriff des Chefs verletze das Urheberrecht des Kurators, so die Richter.

Kuratoren sollen die Kunst ins rechte Licht setzen. Früher war so ein Job eher unüblich. Werner Schmalenbach war anfangs völlig autonom in seinen Ausstellungen und brillanten Interpretationen. Mit der aufgeblähten Verwaltung in den großen Häusern delegieren die Direktoren gern ihre Aufgaben an Kuratoren, vernachlässigen aber eher die lokale Kunstszene. Hier springen die Künstler selbst ein.

Furore machten Detlef Klepsch, Katharina Maderthaner, Christian Schreckenberger und Anne Schülke, als sie vom Kulturamt den Neuen Kunstraum für vier Jahre übernahmen. Sie produzieren eigene Werke, aber arbeiten zugleich konstruktiv und souverän für Andere, obwohl sie als Künstler, Professoren, Lehrbeauftragte und künstlerische Mitarbeiter genug zu tun haben. Seit dem Lockdown haben sie den verstaubten Betrieb im Salzmannbau in eine Medienhochburg verwandelt.

Beispielhaft ist auch „Sonneundsolche“ von Antonia Freisburger, Pia Krajewski und Antonia Rodrian. Die Meisterschülerinnen von Andreas Schulze haben das rheinische Sprichwort „Es jibt sonne und solche, und dann jibt es noch janz andre“ abgewandelt. Sie halten es eher mit der Sonne im eigenen Tun und bei der Suche nach Ihresgleichen. Sie haben an der Birkenstraße 44 ein Hinterhofatelier und einen Off-Raum, der aus einer Schaufenstervitrine und einer einsehbaren Garage besteht. Trotz der geringen Ausstellungsfläche locken sie zu den Vernissagen Kunstfans um Tor und Vitrine.

Soeben haben sie ihren Mietvertrag um drei Jahre verlängert, sodass es auf ihrer Start-up-Plattform weiterhin jährlich fünf bis sechs Ausstellungen geben soll. Selbst wenig kunstaffine Passanten bleiben vor ihrem Schaufenster stehen und gucken. Damit lehren die Malerinnen zugleich die Galeristen der Umgebung, dass es wenig Sinn macht, ihre Läden zu verhüllen, um die Außenwelt zu eliminieren. Bei „Sonneundsolche“ herrscht eine Atmosphäre der Kommunikation und Solidarität.

Kasia Lorenc (l.) und Angelika Trojnarski von „Curated Affairs“.

Foto: Curated Affairs.

Als die Drei 2017/18 ihren Abschluss machten, suchten sie im Internet nach einem Atelier, wurden bei einer ehemaligen Werkstatt mit Garage fündig und renovierten. Sie haben ihr eigenes Studio und den Ausstellungstrakt für Künstlerkollegen. Ihre Botschaft: „Wir verstehen uns als Gemeinschaft und nicht als Konkurrenz.“ Über Instagram wird eingeladen. Das Netzwerk reicht von Düsseldorf über Leipzig, Wien, Berlin und Frankfurt bis nach Prag. Es gibt 1820 Follower und regelmäßige Anfragen.

Dass sie die Spreu vom Weizen sortieren, demonstrieren sie in ihrer eigenen, klaren und entschiedenen Kunst. Pia Krajewski brilliert mit Malerei-Objekten in monochromem Englischrot zwischen Figuration und Abstraktion. Antonia Rodrian kombiniert eine Lupe, die die Dinge aus der Realität spiegelt und bricht. Und Antonia Freisburger liebt kosmische oder organische Fantasielandschaften aus der Welt der Computerspiele, als suche sie nach dem Außerirdischen.

Seit 2018 arbeiten die Meisterschülerin Angelika Trojnarski und die Kulturmanagerin Kasia Lorenc unter der eigens gegründeten nichtkommerziellen Gesellschaft „Curated Affairs“ zusammen. Beide leben seit Langem in Deutschland, aber leugnen ihre polnischen Wurzeln nicht. So entstand zum 100. Todestag der polnischen Jüdin Rosa Luxemburg 2019 eine Gruppenausstellung unter der Schirmherrschaft der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW.

Sie organisierten eine dreiteilige Ausstellungsreihe zur 30-jährigen Städtepartnerschaft zwischen Düsseldorf und Warschau in Kooperation mit dem Polnischen Institut in Düsseldorf und dem Warschauer Kulturpalast. Im Beuys-Jahr 2021 zeigten sie „Beuys & Girls“ im Projektraum Nails unter der Schirmherrschaft des Frauenkulturbüros NRW. 2022 planen sie eine Kulturreise nach Warschau und laden ab August 2022 zur Gruppenausstellung mit Berühmtheiten wie Ólafur Elíasson und Alicja Kwade unter dem Titel „How to Nature“ in die Neue Galerie Gladbeck.

Angelika Trojnarski stammt aus Masuren, wuchs in Düsseldorf auf und ist als Malerin und Fotografin Teil der hiesigen Kunstszene. Kasia Lorenc studierte deutsche Philologie in Krakau und Frankfurt am Main, setzte sich in ihrer Magisterarbeit mit der NS-Zeit in der DDR-Literatur auseinander, assistierte in der Neuen Galerie Gladbeck, lektoriert und übersetzt.