Herr Henrik, Sie gehen in Ihrem Programm mit manchem Popstar und Komponisten ziemlich hart ins Gericht. Wie sieht es denn eigentlich mit Ihrer Shitstorm-Bilanz aus?
Interview mit Markus Henriks Die Suche nach der Hit-Formel
Düsseldorf · Als „Dr. Pop“ gibt der 40-Jährige eine Sprechstunde im Savoy-Theater. Dabei erklärt er, wie Musik unser Leben besser machen kann.
Was macht einen Hit zum Hit? Wie wird man einen Ohrwurm wieder los? Warum hören wir so gern Balladen, wenn wir traurig sind? Fragen über Fragen, die einer beantworten kann: Dr. Pop alais Markus Henrik. Am Sonntag, 16. Januar, 20 Uhr, bittet er zur Sprechstunde im Savoy-Theater. Dort stellt er sein neues Musik-Comedy-Programm „Hitverdächtig“ vor.
Markus Henrik: Witzigerweise kamen Beschwerden von Musikern, die noch nicht durch den Kakao gezogen worden sind. Es ist ja auch eine Form der Anerkennung, wenn man sich mit ihrer Arbeit beschäftigt. Ich muss sagen, dass die bekannten Künstler oft sehr viel Humor haben und positiv mit Kritik umgehen.
Mehr als ihre Fans?
Henrik: Mit denen ist es weitaus problematischer. Da bekomme ich hin und wieder Nachrichten, die schon recht heftig sind. Bei vielen merke ich aber, dass die Verfasser wohl noch sehr jung sind.
Was macht denn
einen Hit zum Hit?
Henrik: Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage. Es hat was von Alchemie. Seitdem es kommerzielle Musik gibt, versucht man die Hit-Formel zu finden. Es gibt natürlich ein paar Grundregeln, die man beachten sollte. Zum Beispiel einen Refrain, der gut ins Ohr geht. Manchmal orientiert man sich dabei an Intervallstrukturen, die es auch bei Kinderliedern gibt. Und es gibt immer wieder ernsthafte Versuche mit sogenannten Songwriting-Camps. Im letzten Sommer hat Helene Fischer einen Song herausgebracht, an dem zwölf Leute geschrieben haben. Profis, die genau wissen, was sie tun. Trotzdem hat es nicht funktioniert. Erfreulicherweise entsteht immer noch hin und wieder ein Hit, weil jemand einfach nur zur Gitarre gegriffen hat.
Warum sind Hit-Fabriken wie Stock, Aitken, Waterman in den 80ern oder Frank Farian und Dieter Bohlen immer nur eine Zeit lang
erfolgreich?
Henrik: Die hatten zwar ihren eigenen Stil, von dem sind sie aber nicht abgewichen. Das funktioniert eine Weile ganz gut. Ich frage mich bei Dieter Bohlen allerdings, wie es überhaupt je so weit kommen konnte. Irgendwann will das einfach keiner mehr hören. Diese Hitfabrikanten arbeiten übrigens selten allein, sondern haben oft ein größeres Team. Ein sehr prominentes Beispiel ist der Filmmusikkomponist Hans Zimmer, der zur Marke geworden ist mit 20 bis 30 Mitarbeitern.
Wie hat Streaming die Art der Komposition von Popsongs verändert?
Henrik: Jedes neue Medium verändert die Strukturen der Popmusik. Aber mit dem Streaming gibt es Entwicklungen, die man durchaus kritisieren sollte. Die Songs werden immer kürzer, es gibt keine Refrains mehr. Die Strukturen werden redundanter. Würden die Streamingdienste ihr Abrechnungssystem überarbeiten, hätten wir die Chance, wieder anspruchsvollere Musik zu hören.
Was lernt man eigentlich bei einem Popmusik-Studium?
Henrik: Zum Beispiel, wie der Jazz die afroamerikanische Popmusik geprägt hat. Historisch hat man andere Schwerpunkte als beim klassischen Musikstudium. Die Medienwissenschaften spielen dabei eine entscheidende Rolle, weil es bei Popmusik immer wichtig ist, welches Medium dafür genutzt wird.
Wäre das Grammofon nicht erfunden worden, dann wäre Enrico Caruso wohl nie so bekannt geworden.
Henrik: Die Popmusik-Geschichte ist deshalb so spannend, weil es auch eine Geschichte der Technik ist. Bis in die 60er-Jahre hinein wurde für Alben das Liveereignis reproduziert. Erst Ende der 60er haben Frank Zappa oder die Beatles angefangen, das Studio als Instrument zu nutzen und damit ein Klangerlebnis zu kreieren, das auf der Bühne gar nicht mehr so leicht umsetzbar war.
Was erwartet das
Publikum am Sonntag?
Henrik: Ich werde verraten, welche die derzeit erfolgreichsten Musikgenres in Deutschland sind. Es geht außerdem darum, wie Musik unser Leben besser machen kann. Ich gebe konkrete Tipps, wie man sie beispielsweise einsetzen kann, um sich für Sport oder für die Hausarbeit zu motivieren. Ich spiele am Flügel und unter anderem auch an einem Synthesizer aus den 80er-Jahren, um zu zeigen, wie stark der Sound aus diesem Jahrzehnt die aktuelle Popmusik beeinflusst.