Theater Ein Glashaus als Fluchtort vor der technisierten Welt
Düsseldorf · Junges Schauspielhaus: In ihrem Stück „Glashaus“ entwarfen Jugendliche eine düstere Zukunftsvision.
Sanftes Meeresrauschen, gedämpftes Licht. Es wird hell auf der Bühne. Ein Jugendlicher steht unter der Dusche mit dem Rücken zum Publikum. Nach einer Weile tritt er heraus, blickt in die Reihen und verkündet fröhlich: „Ich bin ein Langduscher“. Was zuerst harmlos anfängt, entwickelt sich immer mehr zum Albtraum, der den Zuschauer immer tiefer in einen Sumpf aus Beklommenheit, Pessimismus und Hoffnungslosigkeit zieht.
Das Stück „Glashaus“ von Gian Marco Hölk ist in Kooperation mit dem Jugendrat Düsseldorf entstanden und läuft unter dem Motto: Von Jugendlichen, mit Jugendlichen, für Jugendliche. Junge Menschen zwischen 16 und 24, die sich eine berufliche Zukunft in diesem Feld vorstellen können, sollen ihre Talente, Zukunftsvisionen und Interessen austesten. „Glashaus“ bildet den Auftakt des Kooperationsprojektes.
Im Zentrum der Handlung steht ein namenloser Jugendlicher. Er lebt alleine in einem Haus am Meer, das komplett aus Glas besteht. Über seine Eltern oder andere Familienangehörige erfährt man ebenso wenig wie über Name oder Herkunft des Jungen. Einziger Mitbewohner ist eine sprachgesteuerte Computersoftware, über die sich Dinge wie Licht, Musik oder das Öffnen der Tür kontrollieren lassen. Sein einziger Freund ist ein kleiner Bonsai, der zugleich auch das letzte Stückchen Natur in seiner komplett von Technik gesteuerten Umgebung darstellt. Gefangen in einem Käfig aus Einsamkeit und Angst vor der Willkürlichkeit der Welt, verbringt die Hauptfigur seine Jugend in einem dauerhaften Rauschzustand, hervorgerufen durch Alkohol und Tabletten. Zwar trifft er im Laufe der Vorstellung auf andere Jugendliche, doch tragen diese nicht dazu bei, ihn aus seinem inneren Gefängnis zu befreien.
Die fünf Schauspieler Michael Bayen, Finn Cosmo Faust, Nico Kleemann, Lilli Reents, Hannah-Lena Thomé schaffen es unter Regisseur Marvin Wittiber schnell, das zunächst amüsante Stück über Drogenkonsum und zwischenmenschliche Beziehungen in ein tief böses Portrait über das Leben mit allen Hürden, Fragen und Erwartungen zu verwandeln.
Mehrmals sprechen die Akteure über folgende Situation: An einem Bahnsteig stehen unzählig viele Erwachsene, sie alle warten auf den Zug. Je weiter die Zeit fortschreitet, desto angespannter und öfter starren sie alle in die Richtung, aus der besagter Zug kommen soll. Wenn er dann schließlich einfährt, drängen sich alle ins Innere, so lange bis der Zug voll ist und abfährt. Für die Zurückgebliebenen beginnt die Situation aufs Neue. Dieses Gedankenexperiment wird zu Anfang des Stückes mit den Worten kommentiert: „Es kommt immer ein nächster Zug.“ Gegen Ende jedoch heißt es: „Aber irgendwann ist auch mal Feierabend.“ Gesteigert wird diese Frage nach verpassten Chancen durch die Aussage: „Wer jetzt kein Haus baut, wird es nie tun. Wer jetzt alleine ist, wird es lange bleiben.“ Der Protagonist bewegt sich dauerhaft in Angst: Vor seinen Gefühlen, vor der Sinnlosigkeit des Lebens, vor dem Ende. „Ist das wieder nur eine Rolle, die du spielst?“ Auch mit dieser Frage beschäftigt sich das Stück. Wie sollen wir uns selber finden, wenn wir gezwungen sind, gesellschaftliche Rollen zu spielen? In der Beziehung, in verschiedenen Institutionen? Welche von diesen unzähligen Rollen sind wir wirklich? Regisseur Wittiber gelingt es, solche Fragen unterschwellig aufzugreifen und das Publikum dadurch immer tiefer in einen Strudel aus Emotionen zu ziehen. Solange, bis ihm nichts anderes mehr übrig bleibt, als dem bedrückenden Finale entgegenzusehen. Ironischerweise endet die Vorstellung mit dem Ende allen Lebens, dem Ende der Erde. „Eines Tages wird die Sonne mit der Erde kollidieren. Doch bis dahin wird es so heiß sein, dass kein Leben mehr möglich ist.“ Wir müssen alle sterben, sogar die Erde selbst. Wo ist der Sinn? Diese Frage bleibt am Ende der persönlichen Interpretation überlassen.