Auch Campino von den Toten Hosen kam zur Lesung Brandauer tritt seine Gastprofessur an
Düsseldorf · Die Rektorin der Heinrich-Heine-Universität, Anja Steinbeck, erfüllte sich mit dieser Gastprofessur einen Herzenswunsch: Der Schauspieler Klaus Maria Brandauer kam und las – vor rund 500 Gästen, darunter Campino und Andi von den Toten Hosen.
Von so einer ehrfurchtsvollen Stille in einem gut gefüllten Hörsaal können viele Professoren nur träumen. Doch dieser Dozent hat es gelernt, seine Zuschauer mit Stimme und Worten in den Bann zu ziehen: Klaus Maria Brandauer (78) hat am Mittwochnachmittag seine Gastprofessur an der Heinrich-Heine-Universität angetreten.
Zwei Jahre hatte es gedauert, bis der österreichische Schauspieler von Weltrang den Düsseldorfer Hörsaal betreten konnte. Corona war schuld an dieser Verzögerung. Doch jetzt strahlte Rektorin Anja Steinbeck, endlich den von ihr persönlich gewünschten Gastprofessor begrüßen zu können, der im Rufe stehe, ein „kritischer Geist“ zu sein, und der sich mit dem Namensgeber der Universität beschäftigte.
Ein umstrittener, streitbarer Dichter und ein kapriziöser Schauspieler, berühmt vor allem für seine nuancierten Darstellungen des Bösen. Passt das? Es passte.
Brandauer ließ es an
Rezitationen nicht fehlen
„Als Poet im Widerstand – Zeitgenosse Heinrich Heine“ hatte Brandauer seine erste Vorlesung überschrieben, die er mit der „Gedächtnisfeier“ aus dem Zyklus „Lazarus“ eröffnete: „Keine Messe wird man singen / Keinen Kadosch wird man sagen / Nichts gesagt und nichts gesungen / Wird an meinem Sterbetag.“
Mit vielen Rezitationen durchmaß Brandauer Heines Leben, mal in zeit- und raumgreifenden Sätzen, mal in anekdotenhaftem Schlenderschritt. Er verweilte bei Heines ursprünglichem Vornamen Harry, erklärte, wie ihm dieser Name vergällt wurde, ahmte lautmalerisch nach wie der „Drecksmichel“ seinen Esel gerufen haben soll, sodass es fast wie Harry klang, und sprang dann zur Taufe Heines, bei der er den Namen Christian Johann Heinrich annahm und die ein „Entreebillet“ zur europäischen Kultur sein sollte. An latenter antisemitischer Herabsetzung sei Heine nicht zerbrochen und auch nicht an Feindseligkeiten und Widerständen, sie hätten seine Ironie und seinen überwältigenden Humor geschärft. Brandauer ließ es an Rezitationen nicht fehlen. „Ich kam vor meiner Herrin Haus“, aber auch bekannte Verse wie das spöttelnde „Fräulein am Meere“ und das sehnsuchtsvolle „Denk ich an Deutschland“. Mit seinem geschliffenen Vortrag verwandelte er den Hörsaal in eine Theaterbühne.
Rund 500 Zuhörerinnen und Zuhörer waren zu dieser ersten Vorlesung gekommen, darunter zwei prominente Düsseldorfer: Campino und Andi von den Toten Hosen. Sänger Campino hatte 2006 in Brandauers Regiearbeit „Dreigroschenoper“ den Mackie Messer gespielt.
Nur vor einem verwahrte sich Brandauer, vielleicht anders als von manchen erwartet, bei seiner ersten Vorlesung. Er lieferte kein Statement zur aktuellen Lage, keine knallige Aussage zum Ukraine-Krieg, keine Betroffenheitslyrik zur Bedrohung in Europa, auch wenn der Titel seiner Professur „Liebe, Revolution, Europa“ das hatte vermuten lassen. Er habe an seinem Vortrag, der ja für 2020 geplant war, nichts geändert, bekannte Brandauer. „Heinrich Heine ist Heinrich Heine geblieben“, sagte er. „Ein Sportskamerad, den ich sehr, sehr verehre.“ „Ein Vorbild für uns alle“, denn Heine habe nie aufgegeben, obwohl sein Lebensweg nicht einfach gewesen sei.
So wenig, wie Heine sich von aktuellen politischen Positionen hatte vereinnahmen lassen, mochte er auch mit manchen sympathisieren, so wenig ließ sich Brandauer darauf ein, Heine mit einem aktuellen Krieg zu befrachten. Und das war so konsequent, wie nach der letzten Silbe der „Lazarus“-Rezitation am Ende des Vortrags die Vortragskladde auf den Tisch zu knallen.