Konzert: Seit 40 Jahren top ohne Taktstock
Das Orpheus Chamber Orchestra brilliert in der Tonhalle.
Düsseldorf. Es gehört zu den brillantesten Kammerorchestern der Welt, das vor genau 40 Jahren in New York gegründete Orpheus Chamber. Die Musiker treten prinzipiell ohne Dirigenten auf und übertragen das kammermusikalische Miteinander eines Streichquartetts oder Klaviertrios auf das Orchesterspiel. Jetzt feiern die New Yorker ihre Erfolgsgeschichte mit einer Tournee und machten mit dem Oboisten Albrecht Mayer Station in der Tonhalle.
Zum Tourneeprogramm gehört eine frischgebackene Auftragskomposition aus einer Jubiläumsreihe namens „Project 440“. Das Stück „Apart, Together“ des jungen amerikanischen Komponisten Andrew Norman (geboren 1979) wurde erst vor zehn Tagen in Pennsylvania uraufgeführt. Es dauert nur zehn Minuten und entwickelt starke Spannung, vor allem durch die eigentümliche Verbindung von Geräusch und Klang.
Zunächst scheint es, als verwehre der Komponist uns den Genuss von Wohllaut, weil den Instrumenten anfangs nur ein herbes Rauschen entweicht. Doch mit der Zeit tauchen farbige Harmonien auf, die das Stück spätromantisch erscheinen lassen. Die Art wirkt aber nicht epigonal, sondern frisch und neu. Besonders faszinierend sind Momente, wo Motive blitzschnell von einer Streichergruppe zur anderen wechseln, so als würde eine Ladung Strom überspringen.
Ist dies nun Neue Musik des 21. Jahrhunderts, gibt es auch Klänge aus dem 20.: Paul Hindemiths furiose Kammermusik Nr. 1 (1922) und das im Kriegsendjahr 1945 entstandene Oboenkonzert von Richard Strauss. Für Letzteres ist Star-Oboist Albrecht Mayer zur Stelle. Das langjährige Mitglied der Berliner Philharmoniker findet mal wieder zu einer eindrucksvollen Mischung aus Klangschönheit und Virtuosität. Die rasanten Ecksätze gelingen bravourös, und an den melodischen Stellen des langsamen Satzes scheint das Instrument innig zu singen.
Er und das Orchester erweisen sich als bestens koordiniert, Tempo-Freiheiten des Solisten pariert das Ensemble fabelhaft flexibel. Für den starken Beifall gibt Mayer gleich zwei Zugaben, darunter das an Bachs „Air“ angelehnte „À Chloris“ von Reynaldo Hahn.
Auch vom Orpheus Chamber gibt es nach der fein und knackig gebotenen „Symphonie mit dem Paukenwirbel“ von Joseph Haydn noch was oben drauf: die Ouvertüre zu Rossinis „Italienerin in Algier“. Ein musikalisch mitreißender Abend, der einmal mehr zeigt, dass bei einem Orchester nicht die Größe ausschlaggebend ist.