Lesung: Die Sängerin vom Spargelfeld
Christiane Rösinger stellt ihren ersten Roman im Zakk vor. Autobiografisch macht sie dabei von ihrem Ton wehrhafter Melancholie gebrauch.
Düsseldorf. Am Anfang steht das Lied. Schon immer. Das kann man sich in etwa so vorstellen: Christiane Rösinger steht als Sechsjährige auf dem Karotten-Spargel-Kartoffel-Acker zwischen den schuftenden Eltern, Onkeln und Tanten und singt aus vollem Halse den Song "Downtown".
Sie wissen schon: "Things’ll be great when you’re downtown/Don’t wait a minute more, downtown." Und so weiter. Vier Stunden lang.
Das trug nicht zur Beliebtheit des Kindes bei, dennoch festigte diese erste Quasi-Bühnenerfahrung im badischen Hügelsheim in dem Kind den dringenden Wunsch, Sängerin zu werden.
Die Szene war am Dienstag der Einstieg in einen Abend mit der heute 47-Jährigen, die im fast vollbesetzten Club des Veranstaltungszentrums Zakk aus ihrem Erstling "Das schöne Leben" las.
Rund 20 Jahre nach dieser Acker-Szene hat es Christiane Rösinger geschafft. Unter anderem mit Funny van Dannen gründet sie 1988 die Gruppe Lassie Singers. Später wird daraus die Nachfolgeband Britta.
Beide Gruppen werden Kult. Nicht nur in dem engen Kreuzberger 80er-Jahre-Bohèmien-Ghetto, sondern in der Szene bundesweit. Sie übersetzen gewissermaßen den Zorn des Riot-Girl-Punk in einen mehrstimmigen Mädchengesang.
Jetzt hat Christiane Rösinger diesen Ton wehrhafter Melancholie in einen autobiographischen Roman verwandelt. Ehrensache, dass auch die Lesung gestern mit "Downtown" beginnt.
Aus der Sechsjährigen ist eine Frau geworden, die mit diesem mädchenhaften Angela-Merkel-Charme hintergründig und rücksichtslos zugleich soziale Missstände anspricht.
Entsprechend kernig sind die Inhalte des Buches, die von der geistig und zwischenmenschlich bedrückenden Enge im Badischen bis zu einer Berliner Freiheit reichen, bei der die Autorin selbst fragt: "Ist das jetzt noch Bohème - oder schon Unterschicht?"