Mehr als ein Puppenspiel
Regisseurin Evelyn Arndt entwirft poetische Stücke für handgefertigte Figuren.
Düsseldorf. Der junge Kaufmannssohn (Charis Nass) hat sein ganzes Erbe verprasst. Geblieben ist ihm ein alter Koffer, der seinen Besitzer plötzlich auf einer Luftreise in die Türkei trägt. Seine Liebe zu einer Prinzessin führt zwar nicht zum Happy End, doch am Ende weiß der kleine Luftschiffer, dass in ihm ein großer Erzähler steckt.
"Der fliegende Koffer" nach Hans Christian Andersen ist ein poetisches Kinderstück, das virtuos mit Video und Erzähl-Elementen, Objekt- und Schattenspiel arbeitet und sich trotzdem primär an die Phantasie seiner kleinen Zuschauer richtet. Sie wollte diesmal eine Geschichte vom Scheitern erzählen, das zur Selbsterkenntnis führt, sagt Regisseurin Evelyn Arndt.
Von Hause aus ist die 41-jährige gelernte Puppenspielerin für Erwachsene, eine vor allem in der früheren DDR gepflegte Tradition. Evelyn Arndt hat zunächst Kulturpädagogik, dann von 1994 bis 99 an der Hochschule Ernst Busch in Berlin Puppenspiel studiert. Ihr erstes Stück "Heimkinderphantasien" handelte eher allgemein von Menschen in geschlossenen Systemen: "Da spiegelte sich meine Erfahrung in der DDR wider".
Kindertheater macht sie erst, seit sie 2002 mit ihrem Mann, der in der IT-Branche arbeitet, nach Düsseldorf umzog. Am Anfang sei das Heimweh ganz schlimm gewesen, sagt die gebürtige Berlinerin. Dann habe ihr eine Tante ein Foto von den Urgroßeltern geschickt, die in Düsseldorf beheimatet waren: "Das hat mich richtig froh gestimmt."
Evelyn Arndt hat sich bewusst gegen ein eigenes Puppen-Theater entschieden: "Ich wollte von Anfang an frei arbeiten". So ist sie regelmäßig am FFT zu Gast, arbeitete aber auch am Jungen Schauspielhaus, am Heliostheater in Hamm oder am Berliner Ensemble. Durchaus nicht immer als Puppenspielerin. Unvergesslich ihr Auftritt als breit berlinernde Hausmeisterin Tatjana M. in Jörg Lukas Matthaeis "Geschichte wird gemacht" am FFT.
Ihre Puppen und Objekte baut sie oft selbst, wie die kleinen FilzSeemänner für ihr erstes Kinderstück "Warten auf Seemann". Gerne benutzt sie dafür gefundenes Material. Komplizierte Figuren gibt sie auch in Auftrag, und dann kann es richtig teuer werden: "Eine gute Puppe mit viel Mechanik und Aufwand kostet schon an die 2000 Euro."
Besonders interessiert Evelyn Arndt die Schnittstelle zwischen Körper und Puppe oder Objekt. So spielt Charis Nass die Liebesszene zwischen dem Kaufmannssohn und der Prinzessin in "Der fliegende Koffer" mit nackten Knien, auf denen je ein Fez und ein Spitzenkragen sitzen.
Inzwischen hat sich Evelyn Arndts Radius erweitert. Mit dem Stück "Das Mond-Ei" am Jungen Schauspielhaus hat sie das Theater für Kinder ab zwei Jahren für sich entdeckt. Zugleich wuchs die Lust auf ein Puppentheaterstück für Erwachsene. Und so könnte ihr Credo endlich auch hier Gehör finden: "Ein guter Kasparspieler ist ein großer Künstler"