Schauspiel: Tote Hose(n) in Shakespeares Liebeswald
Knallige Gags und Kinder auf der Bühne helfen über die Langweile in Nora Schlockers Premiere von „Wie es euch gefällt“ nicht hinweg.
Düsseldorf. Bis der schöne Orlando sein Gesicht in Matsche wühlt, vergehen nur wenige Minuten. Theaterblut fließt im Großen Haus zwar nur zweimal in der knapp dreistündigen Inszenierung von „Wie es euch gefällt“, dafür ergießt es sich gleich eimerweise — und einmal, oh Schreck, über ein argloses Kind. Wer sich an die Theaterorgie eines Jürgen Gosch erinnert, der mit seinem „Macbeth“ in Düsseldorf Theatergeschichte geschrieben hat, geht an diesem Abend wehmütig und gelangweilt nach Hause. Nora Schlocker spickt ihre Shakespeare-Komödie mit einigen schmackhaften Einfällen, ein Genuss oder gar ein Skandal ist dieses Spiel mit Lust und Liebe gewiss nicht.
Die junge Hausregisseurin bedient sich beim alten Theatergenie und lässt ausnahmslos Männer spielen. Ein starker Auftritt für Florian Jahr, der die leidenschaftliche Rosalind mit großer physischer Präsenz verkörpert. Als Junker verkleidet flieht sie in den Wald und stellt dort ihren Liebsten Orlando (Aleksandar Radenkovi) auf die Probe, der wiederum sich dem Liebreiz des jungen Mannes nicht entziehen kann.
Rollen von Frauen und Männern lösen sich auf in diesem Wald von Arden. Welche Idee Schlocker mit ihrem Arkadien weiter verfolgt, bleibt unklar. Es ist weder Idyll als Gegenentwurf zur höfischen Intrigenwelt, noch ist es eine Spielwiese, auf der Shakespeares Ironie wirken könnte.
In die Zuschauerreihen hinein hat Bernhard Kleber die Bühne gebaut, vorne wirbeln die Höflinge in Stroh und Mist eine Menge Staub auf, hinten, auf der sich nach oben anhebenden Ebene, stapfen die vom eitlen Herzog Verbannten in Schnallenschuhen und mit weiß gepuderten Perücken durch erdiges Gebiet. Sie tafeln, wie sie es gelernt haben mit feinem Tuch und Kerzenleuchter, nur der Hirsch auf ihrem Tisch saß Minuten zuvor noch wie ein elfenhaftes Wesen mit Spitzohren in ihrer Runde.
Wer dabei droht wegzudämmern, den holt Schlocker mit knalligem Klamauk zurück: An der Rampe lässt sie ein gewagtes Medley anstimmen: von Grönemeyers „Männer“ zu „Purple Rain“ von Prince. „Ich bin Campino“, tönt Taner Sahintürk und stellt seinen Kollegen Aleksandar Radenkovi mit „Hier kommt Alex“ vor.
Der kurze Effekt bleibt ohne Hall. Wie auch die sieben ausnehmend süßen und bühnentauglichen Kinder, die den Zuschauern das klägliche Leben in sieben Akten vorführen, wie es der Melancholiker bei Shakespeare beschreibt: Das Kinde, wie es nach seiner Mama ruft, der lustlose Schüler mit Ranzen, der Verliebte mit Rose, der Soldat, der Richter mit dickem Bauch, der hagere Alte und schließlich zum zweiten und letzten Mal, das Kind. Ein Spiel im Spiel, das nicht nur Elternherzen rührt. Im Gesamtkonzept der Inszenierung aber bleibt dieser Auftritt eine allzu berechnete Nummer.
Waren im ersten Teil vor allem Gruppenszenen zu sehen, konzentriert sich das Spiel nach der Pause auf die Konstellationen zwischen den sich findenden Paaren. Endlich können die ausnahmslos starken Schauspieler ihren Figuren weitere Facetten geben. Rosalinds Zweifel an Orlandos Liebe, ihr Schwanken zwischen Stärke und Schwäche überzeugen ebenso, wie die Wortakrobatik des vogelfreien Narrs (Dirk Ossig) unterhält. Ein starkes Ensemble, dem man mehr Entfaltungsmöglichkeiten gewünscht hätte. Und vor allem nicht, dass Florian Jahr sich den Schlussapplaus mit „Habe ich mich nicht gut verstellt?“ auch noch erarbeiten muss.