Schneewittchen unter Helden
Die neuen Videos im Privatmuseum an der Schanzenstraße gelten den schönen Männern und den starken Frauen.
Düsseldorf. Düsseldorfs Kunstpreisträger Bruce Nauman war 1967 rank und schlank, und er wechselte gerade von der Malerei zur Performance. Der noch unbekannte Künstler beschloss, seinen Körper mit Theaterschminke einzusalben. Die Prozedur ließ er auf einem primitiven 16-Millimeter-Film aufnehmen. 1968 hatte er es einfacher, Sony brachte die erste Videokamera heraus, die er sich sofort von seiner Galerie auslieh.
Es war der Beginn von Body Art, Video-Kunst und Selbstinszenierungen. All dies interessiert Julia Stoschek, die ihre zweite Schau in ihrem Privatmuseum der Körperlichkeit widmet und mit Nauman die Gäste begrüßt.
Die 70er Jahre brachten der Avantgarde viele Impulse, die heute komisch bis brutal wirken. Joseph Beuys setzte sich wie ein Modell auf einen Holzstuhl und ließ sich vom Filmer Lutz Mommartz aufnehmen, indem er nichts anderes tat, als in die Kamera zu schauen.
Vico Aconci nahm sein Ego lustiger, er begann, mit seinem eigenen Schatten zu boxen. Katharina Sieverding liebte es metaphysisch. Sie trug glänzende Paste auf ihr Gesicht auf und entrückte sich mitsamt ihrer Goldmaske.
Auch heute wird getönt und gefärbt, nur geht es in den aktuellen Videos, die Julia Stoschek in jüngster Zeit zusammengetragen hat, um Schminkstunden anderer Art. Da kippt Paul Chans bunte "Glücklichkeit" in ein Schreckenszenario, oder es konturiert und pudert sich eine junge Frau bei Alex McQuilkin vor der Kamera in ruckenden und zuckenden Bewegungen, die vom Liebesspiel eines Mannes herrühren.
Ihr scheint das egal zu sein. Eine Frau ohne Leidenschaft. Ein zweiter Streifen der Künstlerin ist eine Persiflage auf die starken Männer der Westernfilme. Zwei Schöne stehen in äußerst knapp bemessenen Bikinis, mimen die Posen der Filmhelden, aber trauen sich nicht, einander abzuknallen.
"Number Two, Fragile", "Number Zwei, Zerbrechlich" nennt sich die Schau, in der 54 Arbeiten aus einem Bestand von 400 zu sehen sind. Die Videos und Fotos widmen sich der Weiblichkeit, wirken feminin, konzentrieren sich auf Körperlichkeit und Transformationen.
Das kann grotesk werden, wenn im Film von Petty Chang eine Frau ihren Rock liftet, ihr Schamhaar einseift, einen Rasierer aus dem BH zieht und sich stoisch diese Haare entfernt. Derweil liegt der Selbstdarsteller John Bock auf einem seiner Schränke und wirft mit Kartons um sich.
Diese Schau ist persönlicher als der brachiale, auf Destruktion gemünzte Einstand vor einem Jahr. Immer wieder geht es um das Negieren der Geschlechtlichkeit in unserer Zeit, wenn beispielsweise Nathalie Djurberg das Familienleben in Plastilin-Figuren nachbildet und die Nachkommen in den Mutterleib zurückkehren lässt.
Die Ausstellung hat zwei Höhepunkte, einen gleißend hellen "Schneewittchen"-Raum und ein abgründig dunkles Szenarium mit einer kafkaesken "Killer-Maschine". Ersterer stammt von Terence Koh und ist eine Hommage an die Sammlerin. Herabhängende Neonröhren sind so gleißend hell, dass der Besucher spontan zurückprallt und erst allmählich Schneewittchens Sarg und Porzellan-Blumen entdeckt.