Konzert Von Monteverdi, Bartóks Blaubart und einem Jubiläum in der Tonhalle

Düsseldorf · Beim 500. Abo-Konzert in der Tonhalle begeisterten Ádám Fischer, Solisten und Symphoniker mit zwei ganz unterschiedlichen Werken, die wunderbar zusammenpassen.

Die Stimmungen in Bartóks Einakter wurden auch durch passende Lichteffekte in der Tonhalle verdeutlicht. So wurde es heller und schließlich dunkler.

Foto: Susanne Diesner

Nun war es soweit, das 500. Abo-Programm – das Sternzeichen – in der neuen Tonhalle erwartete das Publikum. Im Vorfeld dieses Jubiläums hatte die Tonhalle eine Umfrage bei ihren Abonnenten gestartet, wer von ihnen derart treuer Besucher der Konzerte sei, dass er oder sie schon bei dem ersten Konzert in der neuen damals von Helmut Hentrichs Büro HHP-Architekten 1978 umgebauten Tonhalle ein Abo hatte. Wie Tonhallen-Intendant Michael Becker in seinen schon Tradition gewordenen Begrüßungsmoderationen auf dem Podium vor dem Konzert – bei denen er mal kurze Einblicke in die gespielten Werke oder auch aktuelle Neuigkeiten aus der Tonhallen-Sphäre launig nonchalant beistreut – diesmal mit emphatischem Blick auf das Jubiläum erklärte, hätte man mit vielleicht mal gerade 20 Rückmeldungen gerechnet. Es wurden sage und schreibe 180, von denen also nun verbürgt ist, dass sie schon seinerzeit und bis heute Abonnenten der Düsseldorfer Sinfoniekonzerte sind und waren. Offenbar ist das Düsseldorfer Publikum durchaus treu, das ist sehr erfreulich.

Doch dieses Sternzeichen war nicht nur wegen dieses schönen Rechenspielchens ein außergewöhnliches. Auch programmatisch stach es heraus. Viele Menschen schrecken leider bis heute zurück, wenn sie den Namen Bartók hören. Vorurteile gibt es da genug und ja, es sind Vorurteile, denn nahezu das gesamte Oeuvre des ungarischen Komponisten, der 1945 im US-amerikanischen Exil starb, spricht eine emotionale durchaus mitziehende und durch den folkloristischen Einfluss grundtief authentische Sprache. Bartóks Musik hat so wie viele seiner Zeitgenossen im Laufe der Zeit eine Wandlung erlebt, es gab Phasen, die ineinanderflossen, er hat viel Neues gewagt, aber auch immer wieder sich auf Grundfeste europäischer Musiktradition besonnen.

Ádám Fischer hatte sich ein „Herzensprogramm“ gewünscht

Das Besondere an diesem Abend war aber nicht nur der Komponist des Hauptwerkes – so ungewöhnlich ist es nun auch nicht, dass Bartók in unseren Gefilden erklingt, im Gegenteil; das Besondere war, das gewählte Stück und Paarung mit einem anderen Werk, das zwar auf ganz andere Weise aber auch in vielen Punkten einen ähnlichen Geist atmet. Ádám Fischer, der Principal Conductor der Düsseldorfer Symphoniker, hatte sich ganz explizit dieses „Herzensprogramm“ gewünscht. Auf der einen Seite eine konzertante Aufführung von Bartóks Einakter – seine einzige Oper – „A kékszakállú herceg vára“ (Herzog Blaubarts Burg), auf der anderen Seite Claudio Monteverdis dramatisches Madrigal „Il Combattimento di Tancredi e Clorinda“. Zwei Werke, die unterschiedlicher nicht sein könnten – würde man vielleicht meinen. Doch es gibt unzählige Parallelen. Denn der Kampf zwischen Tancredi und Clorinda ist gleichfalls ein Kampf zwischen Mann und Frau, wie auch das Sujet von Blaubarts Burg. Beide Kämpfe haben viel mehr tiefenpsychologische Implikate als der reine Text, durch musikalische Ausdeutung, durch klangästhetische Verwebungen. Bei beiden wird durch sängerische Mittel „gesprochen“, gemeinhin bekannt als Parlando, bei beiden verlässt der Komponist aber in besonders markanten emotionalen Stellen diesen Duktus, um die Gefühle durch melodische Gesten, durch gesangliche Passagen voller Leidenschaft hervorstechen zu lassen. Ein schöner Aspekt zudem ist, dass Monteverdi in dem 1624 uraufgeführten Werk schon – für seine Zeit gänzlich ungewöhnlich – ein sehr kräftiges Pizzicato, ein Zupfen der Saite fordert, das schließlich dem durch Bartók berühmt gewordenen Bartók-Pizzicato, bei dem die Saite von Streichinstrumenten derart gezupft wird, dass sie auf das Griffbrett knallt, ähnelt.

Für die sehr stimmungsvolle Aufführung, bei der man die Sänger auf erhöhten Podesten postierte – dies war bei dem satten Orchesterklang des Bartók-Werkes auch nötig – hatte sich Fischer hervorragende Solisten gewünscht. Bei Monteverdi sangen mit viel Feinsinn Alicia Amo, Andrés Sulbarán und Zoltán Megyesi. Letzterer übernahm zudem die Rolle, bei Blaubarts Burg den symbolistisch aufgeladenen Prolog zu sprechen, der das Publikum auf die Metaebene der Geschichte, die zwischen Volkssage und surrealistischem Seelenspiel changiert, vorzubereiten.

Bei Monteverdi, bei dem sich die Streicher der Düsseldorfer Symphoniker von ihrer puristischen Seite zeigten, saß Fischer selbst am Cembalo und befeuerte auf seine unnachahmliche musikalisch kompromisslose Art die dramatischen Klanggesten.

Bei Blaubarts Burg (mit dem Operngeschehen angepassten Lichteffekten aufgehübscht) sangen Dorottya Láng (Judith) und Miklos Sebestyén (Blaubart) in bester Aufführungstradition mit Emphase und nuancenreicher Ausdeutung. Die kleinen Feinheiten der Sprachdiktion, die bisweilen doppeldeutigen Anspielungen, den hermeneutischen Funken vermochten die beiden perfekt zu treffen. Für diejenigen im Publikum die des Ungarischen nicht mächtig sind – wahrscheinlich die Mehrheit – stellte die Tonhalle Übertitel bereit, die aber – so viel Insiderwissen sei erlaubt – nicht ganz akkurat waren, den groben Sinn aber verständlich wiedergaben.

Und was ist der Sinn? Auf der Oberfläche gesehen kommt Judith zu Blaubart – über den es raunende Gerüchte gibt –, um bei ihm zu leben. In der Burg angekommen, fürchtet sie sich zunächst ein bisschen vor der düsteren Burg, doch ihre Liebe ist stärker. Sieben verschlossene Türen machen sie neugierig, die sie nun geöffnet wissen möchte, wohl auch um zu erfahren, was an den Gerüchten dran ist. Die eigentliche symbolistische Geschichte geht so: Eine Frau möchte alles über ihren Mann erfahren, bittet darum, die Türen zu seiner Seele öffnen zu dürfen. Beharrlich, auch wenn dieser sich sträubt. Schließlich gestattet er ihr die Türen zu öffnen und erlaubt den Blick in seine Psyche, diese ist erschreckend, aber auch erhellend.

Was Fischer und die Düsseldorfer Symphoniker aber zauberten, war der eigentliche Sinn, der musikalisch sprühende, mal todtraurige, mal glänzende Sinn. Fischer dirigierte auch hier wieder, als wäre er ganz eins mit dem Werk, jeden kleinsten Aspekt in sich aufgenommen transformierte er in pure Musiksprache. Schön gelöst war auch (in Ermangelung eines Chores), die in der Partitur vorgeschriebenen „Seufzer“ durch die Düsys ausführen zu lassen.

Und Fischers großer Wunsch: Sprechen Sie nach dem Abend nicht über die Musik, sondern über ihre Beziehung.

Am Montag nochmal zu erleben um 20 Uhr in der Tonhalle.