Stellungnahme zu Tannhäuser-Reaktionen: „Wir nehmen diese Menschen ernst“

Opern-Intendant Christoph Meyer gibt eine Stellungnahme zu den Tannhäuser-Reaktionen ab. Die Jüdische Gemeinde übt Kritik.

Düsseldorf. Wenn eine Inszenierung in der Kulturwelt ordentlich an Schlagzahl gewinnt, jubeln die Intendanten meist im Hintergrund. Denn oft füllen Skandale die Säle und bescheren gute Auslastungszahlen. An der Deutschen Oper am Rhein jedoch wird zurzeit wenig gejubelt, obwohl es eine Premiere in aller Munde ist. Mit heftigen Reaktionen hatte man nach der Tannhäuser-Inszenierung von Burkhard Kosminki gerechnet. Aber was sich am Samstagabend im Opernhaus abgespielt hatte, war neu.

In einer Stellungnahme von Intendant Christoph Meyer heißt es gestern: „Die Heftigkeit der Reaktionen in den Medien und die intensiven und kontroversen Debatten, die schon am Premierenabend unter den Besuchern geführt wurden, haben uns verdeutlicht, dass diese Inszenierung manche Zuschauer aufgrund individueller biographischer Erfahrungen in einer unerwarteten Weise verstört. Wir nehmen diese Menschen sehr ernst und werden das Thema intern diskutieren.“

Fünf Vorstellungen des Tannhäusers stehen noch auf dem Spielplan und nach Auskunft von Opernsprecherin Monika Doll ist bislang nicht daran gedacht, die Produktion abzusetzen. Auch an der künstlerischen Umsetzung werde nichts verändert. „Die Menschen waren vor allem von dem ersten Akt geschockt. Aber den kann man ja nicht einfach streichen.“


Wie die WZ berichtete, verließen nach 30 Minuten die ersten Zuschauer entsetzt den Opernsaal. Dass vor ihren Augen Schauspieler rasiert und erschossen wurden, konnten und mochten sie nicht aushalten. Einige Besucher meldeten sich gestern telefonisch bei der Oper. Wollten reden und erklären, was sie bis ins Innerste getroffen hatte: an die Gewalt erinnert zu werden, die sie selbst erfahren mussten. Während des Nationalsozialismus’ oder in einer anderen Diktatur.


Schon einmal war es in Düsseldorf bei einer Aufführung zu derartigen Tumulten gekommen. Vor dreieinhalb Jahren im Central, als Elfriede Jelineks Drama „Rechnitz“ aufgeführt wurde. Das Stück behandelt ein barbarisches Verbrechen aus der Nazizeit, 180 Juden werden von einer Festgesellschaft ermordet. Die Menschen riefen ihren Unmut während der Vorstellung in den Saal, einige verließen fluchtartig das Haus. Ein aufgebrachter Mann spuckte eine Theatermitarbeiterin an.


Damals kam es zu Abokündigungen. Davon blieb die Oper bislang verschont, auch die Zahl der Kartenrückgaben war gestern unauffällig. Stefan Jürging, Geschäftsführer der Besucherorganisation Düsseldorfer Volksbühne, sagt: „Ich persönlich fühlte mich nicht angegriffen. Aber wenn Zuschauer das so empfinden, dann ist das eben so.“


Michael Szentei-Heise, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf hat die Inszenierung selbst nicht gesehen, aber alles dazu gelesen und mit vielen Menschen gesprochen. Er kritisiert Kosminskis Konzept. „Wagners Musik hat nichts mit dem Holocaust zu tun. Diese Inszenierung ist wohl eine sehr unglückliche und gehört nicht auf die Bühne.“ Persönlich jedoch habe er für den „Antisemiten Wagner“ und dessen Musik nichts übrig.