Tanzhaus NRW: Glück, bis das Maß übervoll ist
Das „GlückStück“ von Helena Waldmann wird am Freitag im Tanzhaus NRW aufgeführt.
Düsseldorf. Ist das schön. Ein nostalgisches Varieté-Theater, umsäumt von einem Samtvorhang mit goldenen Fransen. Drei ansehnliche Männer lächeln, während sie beschwingt in ihren Tanznummern dahingleiten. Vorhang auf: Sie sehen — das Glück!
Schaut man sich das „Glück-Stück“ der Berliner Tanzregisseurin Helena Waldmann an, so glaubt man zunächst, Menschen in ihrem Element zu erleben. Die hinreißende Fingerschnips-Choreografie des Männer-Trios oder die atemberaubenden Soli von Brit Rodemund machen happy. Helena Waldmann inszeniert Lindy-Hop, einen swingenden Tanzstil aus den 1930er Jahren der USA, der sich unter anderem aus Charleston, Stepptanz und Jazz entwickelte.
Glück ist bekanntlich vergänglich und Helena Waldmann eine Unbequeme. Jemand, der Themen wie Alzheimer („revolver besorgen“) oder die islamische Totalverschleierung und japanische Fesseltechnik („BurkaBondage“) auf die Bühne bringt, setzt dem Publikum kein Gute-Laune-Stück vor.
„Der Tod tritt in zehn Minuten ein“, kündigt denn auch eine Einblendung an. Oder: „75 ml Schlafmittel“. Man lächelt hartnäckig. Denn: „Die Freiheit beginnt in zehn Minuten“, lautet die nächste Information. Ob solcher Glücksverheißungen steigert sich der Tänzer Moo Kim in Ekstase, während Elvis Presley musikalisch mehr Action verlangt. Dann lächelt der Asiate nicht mehr. Überhaupt ist die Stimmung dahin.
Das Ensemble aus drei Männern und einer Frau wird immer unruhiger, zappeliger. Das Lächeln ist misstrauischen Blicken gewichen, sie sind zu grotesken Glücks-Marionetten geworden. Aggressive Fratzen einer Wohlfühlgesellschaft, die jedem Glücksversprechen hinterherhechelt. Was die entspannte Stimmung hat kippen lassen, erschließt sich allerdings nicht vollends. War genug nicht genug? Alles war doch so wunderbar.
Es gibt, so scheint es zumindest, einen Weg aus der Krise. Beim kollektiven Knieschlottern finden die Vier zum Lächeln zurück. Wie entfesselt tanzt das Ensemble im finalen Breakout. Keine unterhaltsame, artige Revue-Choreografie mehr. Totale Verausgabung bringt den Glückskick.
Das Fazit: Helena Waldmanns jüngstes Werk, uraufgeführt im Dezember 2011 in Berlin ist es ein sehenswertes Stück, das swingt, das verschwörerisch ins Publikum grinst und selbstironisch zwinkert.